Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Gewerbliche Kampfmittel. 
Sperrer einerseits und dem Boykottierten 
oder Gesperrten andererseits und unter- 
scheidet sich von jenem außer durch die 
gesperrten Beziehungen noch dadurch, 
daß auf jeder Seite nur eine Person zu 
stehen braucht, zwischen denen die Be- 
ziehungen gesperrt werden. Ungenau 
wird für Boykott auch der Ausdruck Ver- 
ruf gebraucht. Da dieser aber etwas ganz 
anderes ist und ein Dreiparteienverhältnis 
voraussetzt, wird die Gleichstellung der 
Ausdrücke besser vermieden, vgl unter d. 
Nach den gesperrten Beziehungen 
lassen sich im einzelnen unterscheiden: 
A. Lieferungsboykott, Materialsperre 
zwischen Lieferanten und Abnehmer; 
B. Konsumtionsboykott, Kundensperre 
zwischen Produzenten und Abnehmer; 
C. Arbeitsperre, d. h. Sperre gegen Ar- 
beitgeber, die noch nicht im Vertragsver- 
hältnis mit dem Arbeitnehmer standen (im 
Gegensatz zum Streik). Hierher gehören 
die sogenannten Lokalsperren, z. B. be- 
stimmter Wirtschaften ; 
D. Arbeitersperre, Betriebsboykott, 
wenn dem Arbeiter, der noch nicht im 
Vertragsverhältnis mit dem Arbeitgeber 
stand, die Arbeitsgelegenheit gesperrt 
wird. Hierher gehören die „schwarzen 
Listen‘, das „Versagen von Handzetteln‘“, 
RGZ 65 429. 
d. Verrufserklärung. Über die 
Verwechslung mit dem Ausdrucke Boy- 
kott s. oben unter c. Der Verruf ist dem 
Boykott gegenüber etwas Selbständiges, 
er setzt voraus ein Dreiparteienverhältnis. 
Der Verrufer tritt als Dritter zu dem Boy- 
kottierer und dem Boykottierten hinzu, 
und von seinem Standpunkt aus wird 
dann der Boykottierer zum Aufgerufenen, 
der Boykottierte oder vielmehr der zu 
Boykottierende zum Verrufenen. Zwi- 
schen dem Verrufer und dem Verrufenen 
besteht ein Interessengegensatz und zu 
dessen Überwindung wird die Verrufser- 
klärung als Zwangsmittel vom Verrufer 
benutzt. Die Art der entgegengesetzten 
Interessen kann die mannigfaltigste sein. 
Zwischen dem Aufgerufenen und Verrufe- 
nen jedoch braucht kein Interessengegen- 
satz zu bestehen, wohl aber muß, da zwi- 
schen ihnen durch den Verruf ein Boykott 
ins Werk gesetzt werden soll, das für 
diesen notwendige Verhältnis von Bezie- 
hungen, die gesperrt werden können, vor- 
handen sein. Der Boykott des Aufgeru- 
fenen gegen den verrufenen Boykottierten 
  
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verfolgt dann nicht den Zweck des Boy- 
kottierers, sondern den des Verrufers und 
bedeutet eine Parteinahme für diesen, der 
Aufruf des Verrufers an den Aufgerufenen 
die Aufforderung, für ihn durch Be- 
werkstelligung des Boykotts Partei zu er- 
greifen, und er wird zur Anstiftung zum 
Boykott, falls dem Aufruf Folge geleistet 
wird. 
Nicht zu verwechseln ist der hier ver- 
standene Verruf mit dem Verruf, den 
Gw 153 im Sinne hat. Dieser ist seinem 
Inhalte und seinem Zwecke nach etwas 
anderes. Dem Begriff des Verrufs, wie 
ihn die Gewerbeordnung meint, wohnt die 
Bedeutung einer Unwürdigkeitserklärung 
inne, die dem Verrufe bei den Verrufser- 
klärungen in diesem Sinne fremd ist; und 
der Zweck ist, die Berufsgenossen und 
Parteigenossen zum Beitritt zu den in 
Qw 152 erwähnten Vereinigungen zu ge- 
winnen, während es sich hier um Be- 
kämpfung eines Gegners und um solche 
Vereinigungen überhaupt nicht handelt. 
3. Rechtsfolgen. Streik, Arbeiteraussper- 
rungen, Boykott und Verruf in dem unter 
d. erklärten Sinne sind weder durch gesetz- 
liche Vorschriften verboten und daher un- 
erlaubte Handlungen, noch verstoßen sie 
an und für sich schon gegen die guten 
Sitten. Freilich dienen sie allesamt dazu, 
durch Ausübung eines Zwangs den frem- 
den Willen des Interessengegners seinem 
Willen untertan zu machen, und enthalten 
daher eine Nötigung im weiteren Sinne. 
a. Der bloße Angriff aufdie Willensfrei- 
heit ist aber nach geltendem Rechte nur 
dann strafbar, wenn er die Formen des 
in S 240 erwähnten Tatbestands annimmt. 
Der weitere Tatbestand von Gw 153, der 
jede Drohung und Verrufserklärung ver- 
bietet, trifft nicht zu, wie oben bereits er- 
wähnt, vgl Landmann DJZ 08 267 
und neuerdings auch RG und JW 07 
414 66, da diese Vorschrift nicht den Geg- 
ner, sondern die Freiheit des Interessen- 
und Parteigenossen schützen will. Auch 
eine Beleidigung nach S 185 und 186 
liegt in dem hier in Betracht kommenden 
Sinne des Verrufs nicht. Er enthält nur 
eine Kennzeichnung derjenigen Person, 
mit der gesellschaftliche, wirtschaftliche 
oder sonstige Beziehungen abgebrochen 
werden sollen, ohne daß daraus zugleich 
als Grund des Abbruchs etwa ein ehren- 
rühriges Verhalten hingestellt würde. Nur 
ein den Interessen des Verrufers entge-
	        
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