Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Großbritannien — Grotius. 
men ist. Der Katalog enthält 18 Auslie- 
ferungsdelikte vom Mord und Mordver- 
such bis herunter zum einfachen Diebstahl 
und fügt an, daß die Auslieferung auch 
wegen Teilnahme, zu welcher nach eng- 
lischem Rechte auch Begünstigung und 
Hehlerei zu rechnen sind, erfolge. Beim 
Bankrott und überhaupt bei den Vermö- 
gensdelikten sind verschiedene Besonder- 
heiten des englischen Rechts zu beachten. 
Nationale werden nicht ausgeliefert. Die 
Auslieferung wird verweigert, wenn im 
ersuchten Staat ein Strafverfahren wegen 
derselben Handlung erledigt ist, und auf- 
geschoben, wenn eine Untersuchung we- 
gen einer anderen Handlung anhängig ist. 
Verboten ist die Auslieferung, wenn die 
strafbare Handlung einen „politischen 
Charakter‘ an sich trägt. Das Prinzip der 
Spezialität wird in Verfolg der eingehen- 
den richterlichen Prüfung des Tatbestan- 
des, die sich nicht mit einem Haftbefehl 
begnügt, sondern die Protokolle über die 
Aussagen der beeidigten Zeugen zu sehen 
verlangt, streng gewahrt: Es darf im er- 
suchenden Staate nur Verfolgung wegen 
des der Auslieferung zugrunde liegenden 
Delikts erfolgen. Die deutsche Recht- 
sprechung hat diese Bestimmung in der 
Tragweite anerkannt, daß entweder Rück- 
transport nach dem ersuchten Staat 
und Erwirkung einer neuen Auslieferung 
gefordert wird oder dauernder Verbleib 
des Verbrechers nach Freilassung im er- 
suchenden Staate für eine neue Verfol- 
gung als nötig erachtet wird. Der Abur- 
teilung unter verändertem rechtlichem Ge- 
sichtspunkt steht aber nichts entgegen, 
wenn dieser rechtliche Gesichtspunkt auch 
in der Liste der Auslieferungsdelikte be- 
rücksichtigt ist. Die Auslieferung muß 
auf diplomatischem Wege unter Vorlage 
der schon erwähnten Protokolle begehrt 
werden. Vorläufige Festnahme, die im 
Vertrag nicht erwähnt ist, kann erforder- 
lichenfalls durch telegraphische Angehung 
des Konsuls auf Grund eines schon be- 
stehenden Urteils oder Haftbefehls erlangt 
werden. Überführungsstücke werden mit 
übergeben. Die Kosten bis zur Einschif- 
fung behält der ersuchte Staat auf sich. 
Rechtshilfeersuchen sind im Vertrage 
nicht erwähnt. Sie werden in England 
durch die deutschen Konsuln erledigt. 
Die Bestimmungen des Vertrags finden 
auch Anwendung auf die Kolonien und 
auswärtigen Besitzungen Englands und 
  
677 
sind durch einen besonderen Vertrag vom 
5. Mai 1894, RGBI 535, auf die deutschen 
Schutzgebiete und andere von Deutsch- 
land abhängige Gebiete im Verhältnis zu 
England selbst und seinen Kolonien aus- 
gedehnt. Dabei ist direkte Verhandlung 
der Konsularbeamten des ersuchenden 
Staates mit der obersten Behörde der Ko- 
lonie zugelassen. Grosch. 
Großhandel s. Börse. 
Großjährigkeit s. Geschäftsfähigkeit. 
Großmächte (VölkerR) sind die 
Mächte, ohne deren Zustimmung wesent- 
liche Veränderungen der staatlichen Ver- 
hältnisse nicht erfolgen. Die G allein sind 
befugt, Botschafter zu entsenden. 
Grotius (de Groot, Hugo Cornets), 
* 10. April 1583 zu Delft, wurde mit fünf- 
zehn Jahren in Orleans Doktor der Rechte 
und war bereits in dieser Zeit wegen sei- 
ner philologischen Gelehrsamkeit als das 
Wunderkind von Holland gefeiert. Mit 
achtzehn Jahren erhielt er von den Ge- 
neralstaaten den Auftrag, die Geschichte 
der Befreiung der Niederlande zu schrei- 
ben. Jedoch noch mehr Staatsmann wie 
Gelehrter, war er seit 1607 als General- 
(Fiskal-) Advokat von Holland, Seeland 
und Westfriesland, seit 1613 als Pensionär 
von Rotterdam und Mitglied der General- 
staaten vielseitig tätig (auch im diplomati- 
schen Dienste seines Vaterlandes, so 1613 
in England), wie er in den damaligen po- 
litischen Kämpfen gegen die Remonstran- 
ten diesen und ihrem Beschützer Olden- 
barneveldt durch Flugschriften zu Hilfe 
kam. In den Prozeß gegen die Remon- 
stranten verwickelt (1618), wurde er zu 
lebenslänglicher Gefangenschaft auf dem 
Schlosse Lövenstein verurteilt, floh aber, 
durch seine mutige Gemahlin befreit, 
1621 über Antwerpen nach Paris, wo 
er von Ludwig XIII. eine Pension er- 
hielt und 1623 — 24 an seinem be- 
rühmten Völkerrechtsbuche arbeitete. 
1631 verlor er die Pension der französi- 
schen Regierung (hatte jedoch 1630 sein 
konfisziertes Vermögen zurückerhalten). 
Er wandte sich, da ein Versuch, in seine 
Heimat zurückzukehren, mit ewiger Ver- 
bannung bestraft wurde, nach Hamburg 
und trat, von vielen Seiten umworben, 
1631 in schwedische Dienste, in denen er 
1635 — 45 Staatsrat und Gesandter am 
französischen Hofe war. 1645 nahm er 
seine Entlassung, um nach Holland zu- 
rückzukehren, aber, auf der Reise in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.