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tag des Nordd Bundes auf Sonntag den
24. Febr 1867 nach Berlin einberufen. Im
allgemeinen hielt der Reichstag trotz sehr
zahlreicher tiefeingreifender Abände-
rungsvorschläge an den Grundgedanken
des Entwurfs fest und erwarb sich das
Verdienst, den Entwurf an einer bedeu-
tenden Anzahl von Stellen erheblich ver-
bessert zu haben. Am 16. April 1867 hat
der Reichstag die Beratung des Entwurfs
zu Ende geführt und ihn in der Gestalt, wie
er aus dieser Beratung hervorgegangen ist,
mit 230 gegen 53 Stimmen angenommen.
An demselben Tage beschlossen die Be-
vollmächtigten der Regierungen einstim-
mig, den Entwurf in dieser Fassung eben-
falls anzunehmen. Da der Reichstag nur
zur Beratung des Entwurfs zuständig war,
so bedurfte die von den Regierungen er-
klärte Annahme desselben noch der ver-
fassungsmäßigen Genehmigung der Ge-
setzgebungsfaktoren der einzelnen Staa-
ten. Dieselbe ist in allen zum Nordd
Bunde gehörenden Staaten erteilt worden,
und in allen ist die Verfassung in formge-
rechter Weise verkündet worden. Alle
diese Publikationspatente enthalten die
Bestimmung, daß die V in den betreffen-
den Staatsgebieten ‚am 1. Juli 1867 in
Kraft treten soll“. Diese Publikationen
haben zu der irrigen Ansicht Anlaß ge-
geben, daß die V ein gleichmäßiges Lan-
desgesetz sämtlicher verbündeter Staaten
geworden sei. Die logische Konsequenz
dieser Ansicht wäre, daß jeder Staat die
Befugnis hätte, eigenmächtig durch Lan-
desgesetz die V für sein Gebiet abzuän-
dern oder außer Kraft zu setzen. Diese
Meinung ist aber unrichtig. Wenngleich
die V des Nordd Bundes in das Verfas-
sungrecht der einzelnen Staaten tief ein-
greift, so hat sie doch nicht das Staatsrecht
der Einzelstaaten zum Gegenstand, son-
dern sie regelt das Verhältnis dieser Staa-
ten zueinander, sie setzt eine Vielheit von
Staaten voraus, und sie betrifft das durch
den Zusammenschluß dieser Staaten ent-
standene Rechtsgebilde. Die nordd Staa-
ten vollzogen durch Gründung des Nordd
Bundes eine Tat, einen Willensentschluß.
Derselbe wurde dadurch verwirklicht, daß
jeder Staat in der Form des Gesetzes ihn
öffentlich bekundete. Der Entschluß, in
den Nordd Bund einzutreten, konnte aber
in keiner anderen Weise mit der erforder-
lichen Bestimmtheit ausgedrückt werden
als durch die Verkündigung seiner V,
Gründung des Norddeutschen Bundes — Grupen.
durch welche der Name Nordd Bund erst
einen konkreten und festbestimmten In-
halt erhält. Die Klausel: „Die V des Nordd
Bundes tritt in dem Gebiete des Staates X
am 1. Juli 1867 in Kraft,‘ ist vollkommen
identisch mit dem Satze: „Der Staat X
tritt am 1. Juli 1867 in den Nordd Bund
ein.‘ Die Publikationsgesetze sind die de-
finitive und vollständige Erfüllung des
Augustbündnissess. Am 1. Juli 1867 ist
der Nordd Bund errichtet worden; die
durch das Augustbündnis begründeten
Verpflichtungen der Staaten waren erfüllt,
und an die Stelle dieses vertragsmäßigen
Verhältnisses trat die Verfassung. Als am
14. Juli 1867 der König von Preußen den
Grafen von Bismarck zum Bundeskanzler
des Nordd Bundes ernannte, am 26. Juli
1867 die Einführung des Bundesgesetz-
blattes anordnete und in der ersten Num-
mer desselben die V abdrucken ließ, war
der Nordd Bund schon vorhanden und
die V desselben bereits in Geltung; und
König Wilhelm handelte bereits auf Grund
derselben kraft der durch diese V ihm
übertragenen Rechte. Der Abdruck der
V im BundesGBl ist kein Gesetzgebungs-
akt und keine Verkündigung im Rechts-
sinn, sondern lediglich die Bekannt-
machung des authentischen Wortlauts.
Das Verhältnis des Nordd Bundes zu
den südd Staaten war vertragsmäßig ge-
regelt. Gleichzeitig mit den Friedensver-
trägen wurden Schutz- und Trutzbünd-
nisse geschlossen, in welchen für den Fall
eines Krieges der Oberbefehl über die
Truppen der südd Staaten dem Könige
von Preußen übertragen wurde. Der Zoll-
verein wurde aufrecht erhalten und durch
den Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867
fester organisiert durch Erweiterung des
nordd Bundesrats und Reichstags zum
Zollbundesrat und Zollparlament. Die
vor dem Kriege unter den deutschen Staa-
ten abgeschlossenen Verträge wurden
wieder in Kraft gesetzt und durch neue
ergänzt. Endlich enthielt die V des
Nordd Bundes den Vorbehalt, daß der
Eintritt der südd Staaten oder eines der-
selben in den Bund auf Vorschlag des
Bundespräsidiums im Wege der Bundes-
gesetzgebung erfolgen könne; hiervon
wurde aber während des kurzen Be-
stehens des Nordd Bundes kein Gebrauch
gemacht. Laband.
Grupen, Christian Ullrich, * Juni 1692
in Harburg, wurde 1715 Advokat, 1719