Halluzinose — Halsgerichtsordnung.
zu deuten sucht und daraus wieder als
das hervorstechendste Merkmal auf affek-
tivrem Gebiete eine hochgradige Ängst-
lichkeit resultiert. Zum Unterschiede von
der akuten Angstpsychose ist bei der aku-
ten Hi die Angst eine sekundär auftre-
tende Erscheinung; bei der Hl treten erst
die „Stimmen‘‘ und dann die Ängstlich-
keit auf, nicht umgekehrt wie bei der
Angstpsychose, und ebenso ist bei dieser
die Angstvorstellung eine sich vornehm-
lich auf die eigene Persönlichkeit bezie-
hende (Kleinheitswahn), bei der akuten
Hl dagegen mischt sich in die Angstvor-
stellung, welche sich auf die eigene Per-
sönlichkeit bezieht, eine solche ein, die
auf die Außenwelt bezogen wird. Es
leuchtet ein, daß durch dergleichen Trug-
wahrnehmungen eine Bewußtseinsfäl-
schung mit Beeinträchtigungsideen ent-
steht, die sich gegen eine ganz bestimmte
Person und bisweilen gegen eine ganze
Kategorie richten und damit zu Hand-
lungen verleiten können, die strafrecht-
liche Ahndung nach sich ziehen müssen.
Häufig zeigt sich die Wahnvorstellung in
der Form des Eifersuchtswahns, nicht
minder häufig in der Art, daß der Kranke
durch göttliche Stimmen sich zu besonde-
ren Dingen berufen wähnt.
Man hat für die Diagnose der akuten
Hl vor allem die Massenhaftigkeit der
akustischen Sprachhalluzinationen zu be-
achten; indessen sind bei ihr auch Hallu-
zinationen des Gesichts vorhanden; unter
Halluzinationen sind sinnliche Wahrneh-
mungen ohne vorhandene äußere Objekte
zu verstehen, während Illusionen Sin-
nestäuschungen sind, die an vorhandene
wirkliche äußere Objekte anknüpfen;
diese aber sind durch eine Halluzination
ihrerseits verändert und zu einer falschen
Wahrnehmung gebracht. Eine Halluzina-
tion der eigenen Figur ist die hechtgraue
Selbstvision Goethes bei seinem Ritt nach
Drusenheim, Don Quixotes Kampf mit
den Windmühlen stellt jedoch einen Aus-
fluß der Illusion des begeisterten wunder-
lichen Helden vor. Halluzinationen und
Illusionen können in den verschieden-
sten Sinnen vorkommen, so vor allem
im Gehör, im Gesicht, im Geschmack
(es schmeckt nach Urin, Kot, Men-
schenfleisch usw), im Geruch (Schwe-
feldunst, Leichengeruch usw), im Tast-
sinn (Gefühl von Stechen, Glassplit-
tern usw), im Temperatursinn (Auf-
Posener Rechtslexikon I.
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legen einer kalten Hand, Begießen mit
siedendem Pech usw), im Muskelgefühl
der Sprache (inneres Sprechen), im Or-
gangefühl (der Kopf ist aufgetrieben, ist
aus Glas, ist groß wie ein Haus, der
Magen ist herabgerutscht, der ganze Kör-
per ist nur noch ein hohles Rohr; im
Bauche ist ein Tier, das rumort; der
ganze Körper ist verwandelt, er ist ein
Wolf, ein Hund usw), im Sexualapparat
(unsichtbare Personen haben den Bei-
schlaf mit den Erkrankten gepflogen, der
Leib nimmt zu, es werden Kindesbewe-
gungen gefühlt u. a. m.).
Wernicke Grundriß der Psychistrie; Mendel Leit-
taden der Psychiatrie. bhn
Cobn.
Haloander (Meltzer, Gregor), * 1501
zu Zwickau. Nach Vollendung seiner
rechtswissenschaftlichen Studien in Leip-
zig ging er 1525 nach Italien, um die
römischen Rechtsquellen zu erforschen.
Dem deutschen Humanistenkreise ange-
hörend, teilte er dessen Abneigung ge-
gen die italienischen Kommentatoren
und betrachtete als seine Lebensaufgabe,
durch kritische Ausgaben der einzelnen
Teile des Corpus iuris den reinen Oe-
setzestext wiederzugewinnen, ein Un-
ternehmen, mit dem er, 1527 nach
Deutschland (Nürnberg) zurückgekehrt,
bis zu seinem frühen Tode beschäftigt
war. Er f auf einer zweiten italienischen
Reise am 7. Sept 1531 zu Venedig.
I. Institutionum sive elementorum Justiniani
libri IV, Nrb Petrejus 1529, 8% (Textberichtigung
aus Vergleichung mit den Parallelstellen in den
Pandekten und ım Codex ohne Benutzung von
Ms). Il. Digestorum sive Pandectarum lıbri L,
Nrb Petrejus 1529, 4%, zumeist in 3 Bdn (Text-
berichtigung aus vielen nicht angegebenen Ms
unter Benutzung von Boligninis Exzerpten der
Politianschen Kollation der Florentina). Ill. Co-
dieis Justinianei ex repetita praelectione libri
All ex fide antiquorum exemplarium purgati re-
cognitique, Nrb Petrejus 1530, 2°. IV. Novellarum
eonstitutionum Justiniani volumen. Appositi sunt
canones SS apostolorum, Nrb Petrejus 1531,
20 (erste griechische, aber aus einem fehler-
haften und unvollständigem Ms besorgte Aus-
gabe). Bogeng.
Hälschner, Hugo Philipp Egmont,
* 29. März 1817 zu Hirschberg, habilitierte
sich 1843 in Bonn, wo er 1847 a. o., 1850
o. Professor wurde; er f 1892 daselbst.
Er veröffentlichte: De jure gentium quale
fuerit apud gentes Orientis, Halle 42; Das
reußische Stratrecht, Bonn 55—68, III; Die
ehre vom Unrecht, Bonn 69; Beiträge zur
Beurteilung des Entwurfs eines Strafgesetz-
buchs für den Norddeutschen Bund, Bonn
70, Das gemeine deutsche Strafrecht, Bonn
81—84, Il. . Bogeng.
Halsgerichtsordnung s. Carolina.
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