Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Halluzinose — Halsgerichtsordnung. 
zu deuten sucht und daraus wieder als 
das hervorstechendste Merkmal auf affek- 
tivrem Gebiete eine hochgradige Ängst- 
lichkeit resultiert. Zum Unterschiede von 
der akuten Angstpsychose ist bei der aku- 
ten Hi die Angst eine sekundär auftre- 
tende Erscheinung; bei der Hl treten erst 
die „Stimmen‘‘ und dann die Ängstlich- 
keit auf, nicht umgekehrt wie bei der 
Angstpsychose, und ebenso ist bei dieser 
die Angstvorstellung eine sich vornehm- 
lich auf die eigene Persönlichkeit bezie- 
hende (Kleinheitswahn), bei der akuten 
Hl dagegen mischt sich in die Angstvor- 
stellung, welche sich auf die eigene Per- 
sönlichkeit bezieht, eine solche ein, die 
auf die Außenwelt bezogen wird. Es 
leuchtet ein, daß durch dergleichen Trug- 
wahrnehmungen eine Bewußtseinsfäl- 
schung mit Beeinträchtigungsideen ent- 
steht, die sich gegen eine ganz bestimmte 
Person und bisweilen gegen eine ganze 
Kategorie richten und damit zu Hand- 
lungen verleiten können, die strafrecht- 
liche Ahndung nach sich ziehen müssen. 
Häufig zeigt sich die Wahnvorstellung in 
der Form des Eifersuchtswahns, nicht 
minder häufig in der Art, daß der Kranke 
durch göttliche Stimmen sich zu besonde- 
ren Dingen berufen wähnt. 
Man hat für die Diagnose der akuten 
Hl vor allem die Massenhaftigkeit der 
akustischen Sprachhalluzinationen zu be- 
achten; indessen sind bei ihr auch Hallu- 
zinationen des Gesichts vorhanden; unter 
Halluzinationen sind sinnliche Wahrneh- 
mungen ohne vorhandene äußere Objekte 
zu verstehen, während Illusionen Sin- 
nestäuschungen sind, die an vorhandene 
wirkliche äußere Objekte anknüpfen; 
diese aber sind durch eine Halluzination 
ihrerseits verändert und zu einer falschen 
Wahrnehmung gebracht. Eine Halluzina- 
tion der eigenen Figur ist die hechtgraue 
Selbstvision Goethes bei seinem Ritt nach 
Drusenheim, Don Quixotes Kampf mit 
den Windmühlen stellt jedoch einen Aus- 
fluß der Illusion des begeisterten wunder- 
lichen Helden vor. Halluzinationen und 
Illusionen können in den verschieden- 
sten Sinnen vorkommen, so vor allem 
im Gehör, im Gesicht, im Geschmack 
(es schmeckt nach Urin, Kot, Men- 
schenfleisch usw), im Geruch (Schwe- 
feldunst, Leichengeruch usw), im Tast- 
sinn (Gefühl von Stechen, Glassplit- 
tern usw), im Temperatursinn (Auf- 
Posener Rechtslexikon I. 
  
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legen einer kalten Hand, Begießen mit 
siedendem Pech usw), im Muskelgefühl 
der Sprache (inneres Sprechen), im Or- 
gangefühl (der Kopf ist aufgetrieben, ist 
aus Glas, ist groß wie ein Haus, der 
Magen ist herabgerutscht, der ganze Kör- 
per ist nur noch ein hohles Rohr; im 
Bauche ist ein Tier, das rumort; der 
ganze Körper ist verwandelt, er ist ein 
Wolf, ein Hund usw), im Sexualapparat 
(unsichtbare Personen haben den Bei- 
schlaf mit den Erkrankten gepflogen, der 
Leib nimmt zu, es werden Kindesbewe- 
gungen gefühlt u. a. m.). 
Wernicke Grundriß der Psychistrie; Mendel Leit- 
taden der Psychiatrie. bhn 
Cobn. 
Haloander (Meltzer, Gregor), * 1501 
zu Zwickau. Nach Vollendung seiner 
rechtswissenschaftlichen Studien in Leip- 
zig ging er 1525 nach Italien, um die 
römischen Rechtsquellen zu erforschen. 
Dem deutschen Humanistenkreise ange- 
hörend, teilte er dessen Abneigung ge- 
gen die italienischen Kommentatoren 
und betrachtete als seine Lebensaufgabe, 
durch kritische Ausgaben der einzelnen 
Teile des Corpus iuris den reinen Oe- 
setzestext wiederzugewinnen, ein Un- 
ternehmen, mit dem er, 1527 nach 
Deutschland (Nürnberg) zurückgekehrt, 
bis zu seinem frühen Tode beschäftigt 
war. Er f auf einer zweiten italienischen 
Reise am 7. Sept 1531 zu Venedig. 
I. Institutionum sive elementorum Justiniani 
libri IV, Nrb Petrejus 1529, 8% (Textberichtigung 
aus Vergleichung mit den Parallelstellen in den 
Pandekten und ım Codex ohne Benutzung von 
Ms). Il. Digestorum sive Pandectarum lıbri L, 
Nrb Petrejus 1529, 4%, zumeist in 3 Bdn (Text- 
berichtigung aus vielen nicht angegebenen Ms 
unter Benutzung von Boligninis Exzerpten der 
Politianschen Kollation der Florentina). Ill. Co- 
dieis Justinianei ex repetita praelectione libri 
All ex fide antiquorum exemplarium purgati re- 
cognitique, Nrb Petrejus 1530, 2°. IV. Novellarum 
eonstitutionum Justiniani volumen. Appositi sunt 
canones SS apostolorum, Nrb Petrejus 1531, 
20 (erste griechische, aber aus einem fehler- 
haften und unvollständigem Ms besorgte Aus- 
gabe). Bogeng. 
Hälschner, Hugo Philipp Egmont, 
* 29. März 1817 zu Hirschberg, habilitierte 
sich 1843 in Bonn, wo er 1847 a. o., 1850 
o. Professor wurde; er f 1892 daselbst. 
Er veröffentlichte: De jure gentium quale 
fuerit apud gentes Orientis, Halle 42; Das 
reußische Stratrecht, Bonn 55—68, III; Die 
ehre vom Unrecht, Bonn 69; Beiträge zur 
Beurteilung des Entwurfs eines Strafgesetz- 
buchs für den Norddeutschen Bund, Bonn 
70, Das gemeine deutsche Strafrecht, Bonn 
81—84, Il. . Bogeng. 
Halsgerichtsordnung s. Carolina. 
45
	        
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