Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Hauptverhandlung (StrafPrR). 
setzt grundsätzlich die persönliche Beurteilung des Ge- 
richtes nicht. Ist jedoch ein Zeuge, Sachverständiger oder 
Mitbeschuldigter verstorben oder in Geisteskrankheit ver- 
fallen, oder ist sein Aufenthalt nicht zu ermitteln gewesen, 
so kann das Protokoll über seine frühere richterliche Ver- 
nehmung verlesen werden. Dasselbe gilt von dem berelts 
verurteilten Mitschuldigen.e In den Fällen einer Ver- 
nehmung außerbalb der H durch ersuchten oder beauf- 
tragten Richter ist die Verlesung des Protokolls über die 
frühere Vernehmung statthaft, wenn letztere nach Er- 
Öffnung des Hauptverfahrens oder wenn sie auf Grund 
des Gesetzes erfolgt ist. — Die Verlesun 
Gerichtsbeschluß angeordnet, auch mu 
kündet und bemerkt werden, ob die Beeidigung der ver- 
nommenen Personen stattgefunden hat. — Die Aussage 
eines vor der H vernommenen Zeugen, welcher erst In der 
H von seinem Rechte, das Zeugnis zu verweigern, Ge- 
brauch macht, darf nicht verlesen werden. — Dagegen ist 
es stets zulässig, einem Zeugen oder Sachverständigen 
der sich einer Tatsache nicht mehr erinnert, den hiera 
bezüglichen Teil des Protokolles über seine frühere Ver- 
zur Unterstützung seines Gedächtnissea zu ver- 
asselbe kann geschehen, wenn ein in der Ver- 
kann nur durch 
der Grund ver- 
nehmun 
lesen. 
nehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren 
Aussage nicht auf andre Weise ohne Unterbrechung der 
H festgestellt oder gehoben werden kann. 
4. Die ein Zeugnis oder ein Gutachten 
enthaltenden Erklärungen öffentlicher Be- 
hörden, mit Ausschluß von Leumunds- 
zeugnissen, desgleichen ärztliche Atteste 
über Körperverletzungen, welche nicht zu 
den schweren gehören, können verlesen 
werden. Ist das Gutachten einer kollegi- 
alen Fachbehörde eingeholt worden, so 
kann das Gericht die Behörde ersuchen, 
eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung 
des Gutachtens in der Hauptverhandlung 
zu beauftragen und dem Gerichte zu be- 
zeichnen. 
V. Nach der Vernehmung eines jeden 
Zeugen, Sachverständigen oder Mitange- 
klagten sowie nach der Verlesung eines 
jeden Schriftstückes soll der Angeklagte 
befragt werden, ob er etwas zu erklären 
habe, C 256. In der Praxis genügt ein 
genereller Hinweis hierauf; auch wird im 
Formular der Protokolle lediglich schema- 
tisch vermerkt, daß überall der Vorschrift 
genügt worden sei. 
VI. Nach dem Schlusse der Beweisauf- 
nahme erhalten die Staatsanwaltschaft 
und sodann der Angeklagte zu ihren Aus- 
führungen und Anträgen das Wort. 1. Der 
Staatsanwaltschaft steht das Recht der Er- 
widerung zu; dem Angeklagten gebührt 
das letzte Wort. 2. Der Angeklagte ist, 
auch wenn ein Verteidiger für ihn ge- 
sprochen hat, zu befragen, ob er selbst 
noch etwas zu seiner Verteidigung anzu- 
führen habe. 
VII. Die H schließt mit der Erlassung 
des Urteils. Das Urteil kann auf Frei- 
sprechung, Verurteilung oder Einstellung 
des Verfahrens lauten, C 259. Die Ein- 
stellung des Verfahrens ist auszusprechen, 
wenn bei einer nur auf Antrag zu verfol- 
genden strafbaren Handlung sich ergibt, 
  
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daß der erforderliche Antrag nicht vor- 
liegt, oder wenn der Antrag rechtzeitig 
zurückgenommen ist. 
1. Über das Ergebnis der Beweisauf- 
nahme entscheidet das Gericht nach seiner 
freien, aus dem Inbegriffe der Verhand- 
lung geschöpften Überzeugung, C 260. 
Hängt die Strafbarkeit einer Handlung 
von der Beurteilung eines bürgerlichen 
Rechtsverhältnisses ab, so entscheidet das 
Strafgericht auch über dieses nach den für 
das Verfahren und den Beweis in Straf- 
sachen geltenden Vorschriften. Das Ge- 
richt ist jedoch befugt, die Untersuchung 
auszusetzen und einem der Beteiligten zur 
Erhebung der Zivilklage eine Frist zu be- 
stimmen oder das Urteil des Zivilgerich- 
tes abzuwarten. 
2. Zu einer jeden dem Angeklagten 
nachteiligen Entscheidung, welche die 
Schuldfrage betrifft, ist eine Mehrheit von 
zwei Dritteilen der Stimmen erforderlich. 
Die Schuldfrage begreift auch solche von 
dem Strafgesetze vorgesehene Umstände, 
welche die Strafbarkeit ausschließen, ver- 
mindern oder erhöhen. Die Schuldfrage 
begreift nicht die Voraussetzungen des 
Rückfalles und der Verjährung. 
3. Gegenstand der Urteilsfindung ist 
die in der Anklage bezeichnete Tat, wie 
sie sich nach dem Ergebnisse der Ver- 
handlung darstellt, C 263. Das Gericht ist 
an diejenige Beurteilung der Tat, welche 
dem Beschlusse über die Eröffnung des 
Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht ge- 
bunden. Eine Verurteilung des Ange- 
klagten auf Grund eines anderen als des 
in dem Beschlusse über die Eröffnung des 
Hauptverfahrens angeführten Strafgeset- 
zes darf nicht erfolgen, ohne daß der An- 
geklagte zuvor auf die Veränderung des 
rechtlichen Gesichtspunktes besonders 
hingewiesen und ihm Gelegenheit zur 
Verteidigung gegeben worden ist. — 
Wird der Angeklagte im Laufe der H noch 
einer anderen Tat beschuldigt, als wegen 
welcher das Hauptverfahren wider ihn 
eröffnet worden, so kann sie auf Antrag 
der Staatsanwaltschaft und mit Zustim- 
mung des Angeklagten zum Gegenstande 
derselben Aburteilung gemacht werden. 
Diese Bestimmung findet nicht Anwen- 
dung, wenn die Tat als ein Verbrechen 
sich darstellt oder die Aburteilung die Zu- 
ständigkeit des Gerichtes überschreitet. 
4. Wird der Angeklagte verurteilt, so 
müssen die Urteilsgründe die für erwie-
	        
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