Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Hauptverhandlung nach der MC. 
urteile, Straflisten, Auszüge aus Kirchen- 
büchern und Personenstandsregistern, 
Protokolle über Einnahme des richter- 
lichen Augenscheins). An sich verlangen 
Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des 
Verfahrens die Vernehmung einer jeden 
Person, auf deren Wahrnehmung der Be- 
weis einer Tatsache beruht, vor dem er- 
kennenden Gericht. Aber das Gericht 
kann in besonderen Fällen die Verlesung: 
des Protokolls über die frühere Verneh- 
mung eines Zeugen, Sachverständigen, 
Mitbeschuldigten beschließen. Das kann 
geschehen im Falle des Todes der frag- 
lichen Person, oder wenn sie in Geistes- 
krankheit verfallen oder wenn ihr Aufent- 
halt nicht zu ermitteln ist. Doch muß ein 
ordnungsmäßiges gerichtliches Protokoll 
(von Gerichtsoffizier, Kriegsgerichtsrat 
oder einem anderen richterlichen Beam- 
ten aufgenommen) vorliegen. Das kann 
ferner geschehen bezüglich der sog kom- 
missarischen Vernehmungen, MC 165 
Abs 2, 270, wenn sie vorschriftsgemäß, 
MC 165 Abs 3, 270, 271, erfolgt sind oder 
wenn bei Nichtbeobachtung der Vor- 
schriften Vertreter der Anklage und Ange- 
klagter die Verlesung beantragen. Bei 
Verkündung des bezüglichen Gerichtsbe- 
schlusses ist zu bemerken, ob die Beei- 
digung der vernommenen Personen statt- 
gefunden hat, MC 305. Über Beeidigung 
von Zeugen in der Hv vgl im übrigen 
unter „Beweismittel“. Verlesungen aus 
früheren Protokollen sind auch statthaft, 
um das Gedächtnis eines Zeugen zu un- 
terstützen, um Widersprüche zu heben, 
um ein Geständnis des Angeklagten festzu- 
stellen, MC 307, 308. Es können ferner 
verlesen werden Erklärungen militärischer 
Vorgesetzter, die ein Zeugnis oder ein 
Gutachten enthalten, Zeugnisse über Vor- 
strafen, die ein Gutachten enthaltenden 
Erklärungen öffentlicher Behörden, ärzt- 
liche Atteste über Körperverletzungen, 
die nicht zu den schweren gehören, vgl 
S 224ffr Um ihm die Wahrung seiner 
Rechte zu sichern, soll der Angeklagte 
nach der Vernehmung eines jeden Zeu- 
gen, Sachverständigen oder Mitangeklag- 
ten sowie nach Verlesung eines jeden 
Schriftstücks gefragt werden, ob er etwas 
zu erklären habe, MC 311. 
Das Gericht kann durch Beweisanträge 
oder aus eigener Entschließung dazu be- 
stimmt werden, eine Ausdehnung der Be- 
weisaufnahme auf weitere Beweismittel 
  
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vorzunehmen. Falls nötig, erfolgt dann 
Aussetzung der Hv, MC 298, 300. Grund 
zur Aussetzung, über die in jedem Falle 
das Gericht zu entscheiden hat, kann auf 
Antrag des Angeklagten außerdem sein: 
Ausbleiben des Verteidigers in den Fäl- 
len der notwendigen Verteidigung, MC 
338, oder Nichteinhaltung der Fristen, die 
zwischen Erhebung der Anklage und 
Hauptverhandlungstermin, MC 266 Abs 2, 
267 Abs 2, zu liegen haben. Auch Unter- 
brechungen der Hv können angeordnet 
werden, kürzere durch den Vorsitzenden, 
längere durch das Gericht. Eine unter- 
brochene Hv muß spätestens am vierten 
Tage nach der Unterbrechung fortgesetzt 
werden, widrigenfalls ebenso wie nach 
der Aussetzung mit dem Verfahren von 
neuem zu beginnen, d. h. eine ganz neue 
Hv anzuberaumen ist, die mit der frühe- 
ren keinen Zusammenhang mehr hat, MC 
275, 276. 
Nach dem Schlusse der Beweisauf- 
nahme erhalten der Vertreter der Anklage 
und sodann der Angeklagte oder dessen 
Verteidiger — vor dem Berufungsgericht 
derjenige, welcher Berufung eingelegt hat, 
zuerst — zu ihren Ausführungen und An- 
trägen das Wort. Der Vertreter der An- 
klage hat das Recht der Erwiderung, der 
Angeklagte das letzte Wort, MC 312, 393. 
Das Ergebnis der Beweisaufnahme als 
Grundlage für das zu fällende Urteil ist 
vom Gericht frei zu würdigen. Gegen- 
stand der Urteilsfindung ist die in der 
Anklageverfügung bezeichnete Tat, wie sie 
sich nach jenem Ergebnisse darstellt, MC 
315, 317. Aber die Beurteilung des Ge- 
richts ist durch die Anklageverfügung 
nicht gebunden. Immerhin muß der An- 
geklagte, wenn er auf der Grundlage eines 
nicht zur Anklage stehenden Strafgesetzes 
verurteilt werden soll, oder wenn erst in 
der Hv solche vom Strafgesetze besonders 
vorgesehene Umstände behauptet wer- 
den, welche die Strafbarkeit erhöhen, auf 
die Veränderung des rechtlichen Gesichts- 
punktes hingewiesen und ihm Gelegen- 
heit zur Verteidigung gegeben werden. 
Eventuell hat Aussetzung zu erfolgen, MC 
318. Aus Zweckmäßigkeitsgründen kann 
auch eine Straftat, die erst in der Hv zur 
Sprache gekommen und in der Anklage- 
verfügung nicht berücksichtigt ist, zum 
Gegenstande derselben Aburteilung ge- 
macht werden. Voraussetzung ist, daß der 
Vertreter der Anklage es beantragt, der
	        
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