Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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Haverei. Unter H(a)v(erei) faßt das 
H im 7. Abschn des 4. Buches sowohl die 
eigentliche Hv wie auch den Schaden 
durch Zusammenstoß von Schiffen. Die 
eigentliche Hv teilt es in „große“ und 
„besondere Hv‘. Die letztere liegt vor, 
wenn am Schiff oder an der Ladung durch 
einen Unfall Schäden oder Kosten verur- 
sacht werden, die nicht zur großen Hv 
gehören. Rechtliche Eigentümlichkeiten 
hat die besondere Hv nicht, vgl H 701. 
Hier ist nur die große oder gemeinschaft- 
liche Hv, auch Havarie grosse genannt, 
zu behandeln. 
Ihr liegt der Gedanke der Ausgleichung 
zugrunde. Ausgeglichen soll unter be- 
stimmten Voraussetzungen der Schaden 
werden, der dem Schiff oder der Ladung 
vorsätzlich zur Rettung aus einer für Schiff 
und Ladung gemeinsamen Gefahr zuge- 
fügt wird. Wenn die Gefahr gemeinsam 
war, die durch die Rettungsmaßregeln 
verursachten Schäden die gefährdeten In- 
teressen aber nicht gleichmäßig getroffen 
haben, so soll eine Ausgleichung bewirkt 
werden. Die Ausgleichung geschieht 
durch die Verteilung des Schadens über 
Schiff, Fracht und Ladung. 
H 700 definiert: „Alle Schäden, die dem 
Schiffe oder der Ladung oder beiden zum 
Zwecke der Errettung beider aus einer ge- 
meinsamen Gefahr von dem Schiffer oder 
auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt 
werden, sowie auch die durch solche Maß- 
regeln ferner verursachten Schäden, in- 
gleichen die Kosten, die zu demselben 
Zwecke aufgewendet werden, sind große 
v. 
Voraussetzungen sind also: 
1. eine für Schiff und Ladung gemein- 
same Gefahr. Die Gefahr muß gegenwär- 
tig sein. Dies ist sie, wenn auch erst nach 
Ablauf gewisser Zeit der wirkliche Scha- 
den eintreten würde. Dies ist sie nicht, 
wenn erst beim Hinzutreten weiterer Um- 
stände (z. B. Sturm) der Schaden eintre- 
ten würde; 
2. vorsätzliches Opfer zum Zwecke der 
Errettung aus der Gefahr durch den Schif- 
fer oder auf Geheiß des Schiffers, Das 
Opfer muß aus dem freien Entschlusse 
des Schiffers hervorgehen und sein Zweck 
muß die Rettung von Schiff und Ladung 
aus der Gefahr sein. Ein Beispiel bietet 
der Seewurf. Von dem Seewurf, dem 
schon die lex Rhodia de jactu gewidmet 
  
Haverei. 
ist, ist die Entwickelung des Instituts aus- 
gegangen; 
3. Schäden an Schiff oder Ladung oder 
aufgewendete Kosten. 
Die Havereiverteilung tritt ferner nur 
ein, wenn sowohl das Schiff als auch die 
Ladung ganz oder teilweise wirklich ge- 
rettet worden sind, $ 703. Der Zweck des 
Opfers muß also erreicht sein, indem 
beide der Gefahr unterworfen gewesenen 
Gegenstände die Gefahr ganz oder teil- 
weise überstanden haben. Ist nur das 
Schiff oder nur die Ladung gerettet, so 
können, wenn die Opfer pflichtmäßige 
waren, Ansprüche aus ungerechtfertigter 
Bereicherung in Frage kommen, vgl 
Lewis-Boyens Seerecht Il 484—486. 
Waren die Ladungsopfer ganz oder teil- 
weise unnötig und pflichtwidrig, so sind 
natürlich Schiffer und Reeder, letzterer 
gemäß H 485, 486, dafür verantwortlich. 
Die Ausgleichung der Schäden und 
Kosten in großer Hv wird bewirkt durch 
Aufstellung einer Rechnung, in der die ge- 
opferten Interessen als forderungsberech- 
tigt, also als Aktiva, die geretteten Inter- 
essen als leistungsverpflichtet, also als 
Passiva in Ansatz kommen. 
Denn durch das Opfer wird das Recht 
auf eine „Vergütung‘ erkauft, durch die 
Rettung wird die Pflicht zu einem „Bei- 
trag‘‘ bewirkt. Für die geopferten Werte 
wird durch die Aufstellung der Rechnung 
ein teilweiser Ersatz geleistet, von den 
geretteten Werten wird ein Teil zum Er- 
satz herangezogen. 
Das Gesetz gibt ausführliche Bestim- 
mungen, in welcher Art der geopferte 
Wert festzustellen ist, 88 709—715. Der 
Schaden am Schiff z, B. bestimmt sich 
nach der Taxe für die Ausbesserungs- 
kosten, der Wert der geopferten oder be- 
schädigten Güter nach dem Marktpreis 
am Bestimmungsort. Doch sind be- 
stimmte Abzüge zu machen, vgl $ 710 
Abs 3 und m 3 711 Abs 3, $ 712 a. E. 
Ebenso gibt das Gesetz ausführliche Be- 
stimmungen, wie die beitragspflichtigen 
Werte festzustellen sind, 88 717—723, 
Die Forderungen der Vergütungsbe- 
rechtigten sind dadurch noch beson- 
ders gesichert, daß ihnen für die Be- 
träge von Schiff und Fracht ein Schiffs- 
gläubigerrecht, 85 725, 754 Ziff 5, und 
für die von den Gütern zu leistenden Bei- 
träge ein Pfandrecht an den Gütern ge- 
währt ist.
	        
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