Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Hobbes. 
lichen und geistigen Begabung in ver- 
schiedener Weise Besitz zu nehmen su- 
chen, ein Krieg aller gegen alle. Der 
Krieg ist der Naturzustand, das, was dem 
einzelnen nützlich erscheint, der Maßstab 
seines Rechtes, jeder Richter in eigener 
Sache. Furcht vor den Nachteilen dieses 
unbefriedigenden Zustandes ist die Ur- 
sache des Staates, sein Zweck die Erhal- 
tung des Friedens, sei es, daß der Sieger 
die besiegten Schwächeren zum Frieden 
zwingt, sei es, daß die Gleichstarken sich 
zu seiner Wahrung verbinden. Um aus 
dem Naturzustande des Krieges heraus- 
zutreten, müssen die Menschen zur Erfül- 
lung des Staatszweckes ihr ursprüngliches 
Recht an allen Gütern beschränken: ent- 
weder durch Verzicht oder durch Über- 
tragung auf einen anderen. Das letztere 
geschieht durch Verträge (und Gelöb- 
nisse), die gegenseitig sein müssen: Ver- 
träge werden gehalten, Gelöbnisse ge- 
wahrt nach einem ewigen Naturgesetze, 
dem Gesetze der menschlichen Freiheit 
(das keineswegs aber das Staatsgrundge- 
setz ist, da es als allgemein menschliches 
Gesetz weiter reicht als der Begriff des 
Staates). Und da das Naturgesetz den 
Vertragsbruch (den Krieg) nicht hindern 
kann (denn es kann als kein eigentliches 
Staatsgesetz nicht mit Strafen erzwungen 
werden), so muß eine einzige, gemein- 
same Macht das Vertragsrecht (den Frie- 
den) schützen, ein Willen (ein Gesamtwil- 
len) diese Macht leiten. Das aber ist nur 
möglich durch vertragsmäßige Unterwer- 
fung in allen Dingen der Friedenssiche- 
rung unter den Willen eines absoluten 
Herrschers (eines Mannes oder einer 
Versammlung), dem alle unbedingten 
Gehorsam leisten, wofür sie von ihm 
Schutz erhalten. Dadurch, daß die- 
ser eine Wille als Wille aller gilt, 
entsteht der Staat (in juristischer Kon- 
struktion: als künstliche Person; als 
Gesamtpersönlichkeit wird er nicht vonH. 
erkannt und aufgefaßt). Dem einen Wil- 
len der öffentlichen Person (des einen 
Mannes, der Versammlung) sind die ein- 
zelnen privaten Personen untertan, er ist 
die oberste Gewalt, die höchste Gewalt, 
die Herrschaft und muß absolut sein, da- 
mit der Staat als rechtliche Einheit be- 
steht, deren vollkommenere Form die 
Monarchie als strengste Einheit ist. Der 
Wille des Monarchen ist der Staatswille 
(er verfügt über die Wehrmacht des Staa- 
  
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tes und ernennt die Behörden; was er 
sanktioniert, ist Recht, das Gegenteil Un- 
recht, so bestimmt er die bürgerlichen Ge- 
setze, urteilt und vollzieht das Urteil, 
wahrt die öffentliche Ordnung, indem er 
Lehren und Meinungen verbietet oder er- 
laubt). Ihm gegenüber kann sich niemand 
auf Privateigentum berufen, das im Na- 
turzustande noch nicht bestand und das 
nun im Staate nur zwischen den privaten 
Personen, nicht aber dem gegenüber gilt, 
auf den das alte natürliche Recht über- 
tragen wurde. Er selbst ist keiner Strafe 
ausgesetzt und durch kein Gesetz gebun- 
den, da er die Gesetze und die Strafen be- 
stimmt. Religion und Aberglaube sind 
Furcht vor erdichteten oder durch Tradi- 
tion angenommenen Mächten: die Furcht 
vor den durch den Staat anerkannten un- 
sichtbaren Mächten ist Religion, die 
Furcht vor nicht durch ihn anerkannten 
Aberglaube. So darf die Kirche nicht das 
unter ewigen Strafen verbieten, was der 
Staat mit zeitlichen Strafen gebietet, weil 
damit die Einheit des Staates zerstört 
wäre, so darf der Private nicht eine beson- 
dere religiöse Überzeugung der sanktio- 
nierten Staatsreligion entgegensetzen, 
weil damit ebenfalls die Einheit des Staa- 
tes gefährdet würde. Die Gewissenhaf- 
tigkeit, die bürgerliche Moral, besteht in 
dem Gehorsam gegenüber dem Willen 
des Herrschers, dessen oberste Gewalt 
nur der beschränken könnte, der eine hö- 
here Macht hätte. Der Herrscher ist die 
Seele des Staatskörpers, der Staat hat ei- 
nen Willen, weil der Herrscher einen 
Willen hat. 
Die spekulative Vernunft von H. hat 
aus abstrakten und formalen Sätzen, die 
sie aus unerwiesenen Voraussetzungen 
begründete, den Staat als Leviathan kon- 
struiert, von dem sich die Menschen aus 
Furcht vor einer möglichen Gefahr ver- 
schlingen ließen, indem sie die Volksge- 
meinschaft als Knechtschaft durch den 
Staat begründeten, ihr individuelles Da- 
sein opferten, um der Herrschaft der Af- 
fekte, dem Kriege, der Furcht, der Armut, 
dem Schmutz, der Vereinsamung, der Bar- 
barei, der Unwissenheit, der Wildheit zu 
entgehen und dafür im Staate dieHerrschaft 
derVernunft, Frieden, Reichtum, Schmuck, 
Geselligkeit, Zierlichkeit, Wissenschaft, 
Wohlwollen zu finden, um Sicherheit des 
Lebens und sinnliches Wohlsein sowie 
auch diejenigen idealen und ethischen
	        
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