Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Idiotie — Illoyale Handlung. 
verknüpft (Myxödem und Struma 
[Kropf]. Die Knochen wachsen mehr 
in die Breite als in die Länge, worauf 
auch der sog Kretinenschädel beruht. 
Man unterscheidet verschiedene Varie- 
täten des Kretinismus, für welche noch 
unbekannte atmosphärische, tellurische 
und auch soziale Einflüsse zur Erklärung 
herangezogen werden, zumal der Kreti- 
nismus nicht bloß, wie man früher glaubte, 
in Gebirgen und Hochgebirgen, sondern 
gerade in Ebenen und besonders in tie- 
fen, engen, mehr oder weniger abge- 
schlossenen Gebirgstälern sich findet. Die 
Kretins haben meist sehr große Köpfe 
bei Zwergwuchs, ein im oberen Teile 
breites Gesicht, Sattelnase mit weiten 
Löchern, dicke, wulstige Lippen, dicke 
fleischige Zunge, offenstehenden Mund, 
dem fortwährend Speichel entfließt, kur- 
zen, dicken Hals mit starkem Kropf usw. 
Die Sinneswahrnehmungen sind unvoll- 
kommen, weil die Sinnesorgane stumpf 
sind; die Bewegungen sind schlaff und 
langsam. Die Stimme ist rauh, heiser, bis- 
weilen fistulös, die Sprache unartikuliert 
und zuweilen nur auf grunzende Laute be- 
schränkt (Kraepelin). Der geistige De- 
fekt geht aber durchaus nicht etwa dem 
morphologischen Grade des Kretinismus 
parallel. Man unterscheidet vollkommene 
Kretins, Halbkretins und Kretinöse, die 
eine ähnliche Abstufung bilden wie die 
bildungsunfähigen, bildungsfähigen Idio- 
ten bzw die Imbezillen. Nach Sommer 
hat es sogar immer eine Reihe ziemlich 
hochstehender Menschen gegeben, die 
körperlich alle Anzeichen von Kretinismus 
zeigten. Die den Kretinismus auslösende 
Schädlichkeit will man heute in dem Aus- 
fall der Schilddrüsenfunktion sehen. 
W. Sander Idiotie in Eulenburgs Realenzyklopädie; 
Hammaberg Idiotismus, übersetzt von Walter Berger, 
Leipzig 99; Emminghaus Die psychischen Störungen 
des Kindesalters in Gerhards Handbuch der Kinderkrank- 
heiten; Meynert Klinische Vorlesungen 274 — 279; 
Wachsmuth Zerebrale Kinderlähmung und Idiotie, 
Archf.Psych 34 3 01; Ziehen Die Geisteskrankheiten 
des Kindesalters, Berlin 02; R. Neurath t{}ber Idiotie 
im Kindesalter, MedizKlinik 09 Nr 6. Cohn. 
Jesuitengesetz s. Vereinsrecht. 
Igel nicht jagdbar: s. jagdbare Tiere. 
Ignominia (RR), die durch eine nota 
Re eintretende Ehrenminderung 
s. d.). 
Ignorantia iuris nocet, Unkenntnis 
des Gesetzes schützt vor Strafe (Schaden) 
nicht. Siehe auch: Gesetz. 
Ignoranzeid s. Eid. 
Jhering, Rudolf von, * 22. Aug 1818 
Posener Rechtslexikon I. 
  
801 
zu Aurich, habilitierte sich 1843 in Ber- 
lin, folgte 1845 einem Rufe als a. o. Pro- 
fessor nach Basel, siedelte 1846 in glei- 
cher Eigenschaft nach Rostock über, 1849 
nach Kiel, 1852 nach Gießen, 1868 nach 
Wien, 1872 nach Göttingen, wo er 
17. Sept 1892 }. 
In seinem (unvollendeten) Hauptwerke: 
Geist des römischen Rechts auf den 
verschiedenen Stufen seiner Entwicke- 
lung*” Teil 1—3, 1, Leipzig 78—88 (81 
bis 99), gab Jhering, nachdem seit dem 
Beginne des 19. Jahrh zahlreiche Mono- 
graphien den umfangreichen Stoff der rö- 
mischen Rechtsgeschichte in seinen Ein- 
zelheiten untersucht hatten, aus den so ge- 
schaffenen zahlreichen, vielfach neuen 
Grundlagen eine Darstellung der all- 
gemeinen Ideen, die die Eigenart des rö- 
mischen Rechtsbaues charakterisieren, 
eine Darstellung, die als Gesamtdarstel- 
lung noch immer unübertroffen ist. (Da- 
gegen ist das 1894 aus dem Nachlasse 
Jherings herausgegebene, nicht druckreife 
Brouillon: Vorgeschichte der Indoeuro- 
päer, das den Versuch macht, die lateini- 
sche Rechtsbildung mit der sog indoger- 
manischen zu vergleichen, nur ein weite- 
res Beispiel dafür, daß die Veröffent- 
lichung aller nachgelassenen Werke be- 
deutender Schriftsteller oft viel mehr eine 
Minderung als eine Mehrung ihres Nach- 
ruhmes herbeiführt.) 
Unter den romanistischen Nebenarbeiten 
Jherings sind neben seinen Beiträgen für die 
von ihm mit Gerber begründeten Jahrbücher 
für die Dogmatik des heutigen römischen und 
deutschen Privatrechts (von Bd 37 an: Jherings 
Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen 
Rechts), Jena 57 fl, zu nennen: Abhandlungen 
über das römische Recht, Leipzig 44; Das 
Schuldmoment im römischen Recht, 66; Bei- 
träge zur Lehre vom Besitze (Über den Grund 
des Besitzschutzes)?, Jena 69; Der Besitzwille, 
89. -Seine rechtsphilosophischen Anschauungen 
entwickelte Jhering in seinem zweiten umfang- 
reicheren Werke: Der Zweck im Recht? (u. > 
Leipzig 84—86, 11 (86-93) (4. Aufl 05). Vie 
fache Verwendung im akademischen Unterrichte 
fanden die Zivilrechtsfälle ohne Entscheidungen, 
Leipzig 47 (u: ö) weitreichende Beachtung die 
auch in zahlreichen Übersetzungen verbreiteten 
populären Schriften: Die Jurisprudenz des täg- 
lichen Lebens, Jena 70 (u. ö.); Der Kampf ums 
Recht, Wien 72 (u. ö.); Das Trinkgeld, Braun- 
schweig 82 (u. d.); Scherz und Ernst in der 
Jurisprudenz. Bogeng. 
Illaten s. Miete. 
Illationstheorie beim Diebstahl s. 
Ablationstheorie. 
Illoyale Handlung s. Unerlaubte 
Handlung. 
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