Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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Grundlage aller obligatorischen Gerecht- 
same, und nur darüber bestehen Mei- 
nungsverschiedenheiten, ob es nur ökono- 
mische oder auch sonstige „berechtigte‘‘, 
„schutzwürdige“ oder doch allgemein 
„geschäftsmäßige“ Int des Gläubigers 
seien, zu deren Schutze der Zwangsappa- 
rat des Schuldrechtes in Bewegung ge- 
setzt werden könne. Die erste, engere Auf- 
fassung entsprach der römischen Rechts- 
idee („ea in obligatione consistere, quae 
pecunia lui praestarique possunt‘‘); sie 
hat auch für das geltende Recht die bes- 
seren Gründe für sich, schon um eine ver- 
flüchtigende, die festgefügten Grenzen ge- 
genüber anderen Rechtsgebieten nieder- 
reißende Ausweitung des Obligationen- 
begriffs hintanzuhalten. Der Wortlaut des 
Gesetzbuches läßt sich bei seinem Schwei- 
gen zwar nicht für, aber ebensowenig, wie 
die Gegner wollen, gegen diese Ein- 
engung der Schuldverhältnisse auf das 
Gebiet der Vermögensinteressen ver- 
werten. 
Auch für die Dauer obligatorischer Ge- 
rechtsame spielt der Interessebegriff eine 
große, allerdings im Texte des B nicht er- 
wähnte und noch nicht abschließend un- 
tersuchte Rolle: es fragt sich, ob und in- 
wieweit das Schuldrecht mit dem Int des 
Gläubigers, dem es zu dienen berufen ist, 
sein Ende erreiche. Mag auch eine unter- 
schiedslose Bejahung dieser Frage derzeit 
als zu weitgehend abgelehnt werden müs- 
sen, so tritt doch jedenfalls einer ausschlie- 
Bend schikanösen Geltendmachung schuld- 
rechtlicher Ansprüche der oben (Ziff 1 
a. E.) gewürdigte $ 226 entgegen. 
3. Endlich ist dem Interessebegriff im 
Schadensersatzrecht eine erhebliche Be- 
deutung beschieden. Man kann den Scha- 
den in doppeltem Sinne auffassen: einmal 
als die konkrete, besondere Einbuße, die 
der Betroffene in bezug auf dieses oder 
jenes Vermögensobjekt infolge des schä- 
digenden Umstandes erlitten hat; man 
kann aber auch von dem besonderen Ein- 
wirkungsobjekt absehen und als Schaden 
einfach die abstrakte, nur rechnerisch be- 
stimmte, sinnlich nicht wahrnehmbare 
Summe ansehen, um die das Gesamtver- 
mögen des Betroffenen durch die schädi- 
gende Einwirkung geringer geworden ist, 
als es ohnedies sein würde. Das ist der 
abstrakte Schade oder das „Int“, d. h. 
die eingetretene Vermögensdifferenz. 
Der Begriff des Int ist für die Behand- 
  
  
Interesse. 
lung des Schadensersatzproblems schon 
deshalb wichtig, ja unerläßlich, weil in 
vielen, man wird sogar sagen können: den 
weitaus meisten Fällen eine Wiederbe- 
seitigung der einmal eingetretenen kon- 
kreten Einbuße nicht mehr möglich ist: 
Das tote Pferd kann nicht mehr zum 
Leben erweckt, der zerschmetterte Arm 
nicht mehr brauchbar gemacht werden. 
Wohl aber bleibt auch in solchen Fällen 
die Möglichkeit der Erstattung eines ent- 
sprechenden Geldquantums — der Scha- 
densersatz als Interessenersatz. Dieser ist 
demgemäß auch vom B 249ff als die 
grundsätzlich zwar nur subsidiäre, erst 
mangels möglicher Naturalherstellung zu 
fordernde, aber praktisch weitaus wich- 
tigste Form des Schadensersatzes aner- 
kannt worden (s. Art „Schadensersatz‘‘). 
Abzuweisen ist dabei die nicht seltene 
Vorstellung, als ob das zu ersetzende Int 
sich gerade mit dem Werte des beschä- 
digten Gegenstandes decken müsse. In 
Wahrheit hat es damit nur wenig zu tun — 
das Int kann hinter dem Sachwert zurück- 
bleiben, so bei bloßen leichteren Sachbe- 
schädigungen, zeitweiligen Entziehungen; 
es kann aber nicht minder darüber weit 
hinausgehen. Dahin gehört besonders der 
Ersatz des sog entgangenen Gewinnes 
(lucrum cessans) — natürlich, soll der Be- 
schädigte ökonomisch von den Folgen der 
Beschädigung befreit werden, so muß 
man ihm auch das erstatten, was er zwar 
noch nicht vor der Schädigung gehabt 
hatte, aber erlangt haben würde, wenn 
diese nicht eingetreten wäre, —so darf der 
Markenhändler, dem eine seltene, nicht 
wieder beschaffbare Marke gestohlen oder 
verdorben wird, vom Schädiger nicht nur 
den Einkaufs-, sondern den zu erwarten- 
den Verkaufspreis in Anspruch nehmen, 
darf der Eigentümer des getöteten Pferdes 
das vom Täter verlangen, was ihm ein rei- 
cher Liebhaber, vielleicht weit über den 
wahren Wert hinaus, für das Tier gerade 
vorher geboten hatte. Das kann natürlich 
nicht ins Grenzenlose, zur Realisierung 
phantastischer Hoffnungen, führen; aber 
der Gewinn jedenfalls — wenn auch 
nach der richtigen Auslegung nicht unter 
allen Umständen gerade nur dieser — 
kann als „entgangen‘‘ gefordert werden, 
der „nach dem gewöhnlichen Laufe der 
Dinge oder nach den besonderen Umstän- 
den, insbesondere nach den getroffenen 
‚ Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahr-
	        
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