Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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jener Grundsatz die Anwendung recht- 
fertigen würde. Damit hat Savigny zwar 
ein richtiges Prinzip bezeichnet und auf 
den für dieses zu machenden Vorbehalt 
hingewiesen, aber die Umgrenzung die- 
ses Vorbehaltes, der den Gegensatz 
zwischen Personalitätsprinzip und Terri- 
torialitätsprinzip ausgleichen soll, hat er 
nicht vorgenommen; er hat nur angedeu- 
tet, daß hier die schwierigste Aufgabe der 
Theorie des internationalen Rechts liege, 
wie denn ja in der Tat über ihre einheit- 
liche Lösung bis heute noch keine durch- 
greifende Verständigung innerhalb der 
verschiedenen Theorien besteht. Indem 
Savigny den Grundsatz aussprach, daß 
internationales Recht aus der durch die 
völkerrechtliche Gemeinschaft für jeden 
Staat entstandenen Rechtspflicht, welche 
die Zulassung auswärtiger Rechtsnormen 
bedinge, abzuleiten sei, übersah er noch 
„die wichtige negative Seite dieser An- 
erkennung der völkerrechtlichen Gemein- 
schaft, d. h. der Souveränität der anderen 
Staaten in den völkerrechtlichen Grenzen, 
mit anderen Worten die Ableitung ge- 
wisser, die Anwendung des inländi- 
schen Rechts in wichtigen Fällen völker- 
rechtlich ausschließender Schranken“ 
(Bar). — Fast gleichzeitig mit v. Sa- 
vigny suchte Mancini (s. diesen), dem 
dann teilweise die herrschende italie- 
nische Theorie gefolgt ist, durch seine 
berühmte Rede über das Nationalitäts- 
prinzip festzustellen, daß das Gesetz des- 
jenigen Staates, dessen Angehöriger je- 
mand sei, grundsätzliche Anwendung fin- 
den müsse. Die moderne Fassung des 
Problemes des internationalen Privat- 
rechts hat die ursprüngliche Grundfrage, 
ob das Territorialitäts- oder das Perso- 
nalitätsprinzip entscheidend sei, vertieft 
und erweitert, indem sie die Lösung von 
der Bestimmung, wie weit gegebenenfalls 
die aus der Souveränetät des einzelnen 
Staates abzuleitende Kompetenz der Ge- 
setzgebung reicht, abhängig macht. (Über 
das Domizilprinzipr, das den englisch- 
amerikanischen Rechtskreis beherrscht, 
s. w. u.) So zeigt (um zum Beginne die- 
ser Ausführungen zurückzukehren) die 
moderne Theorie einerseits das Bestre- 
ben, das Personalitätsprinzip mit dem 
Territorialitätsprinzip zum Nationalitäts- 
prinzip zu verbinden: die enge Beziehung 
zum Staate als solchem, wie sie die 
Staatsangehörigkeit zum Ausdruck bringt, 
  
Internationales Privatrecht. 
bewirkt nach dieser Anschauung, daß die 
lex patriae wie auf dem heimatlichen 
Staatsgebiete so auch im Auslande die 
rechtliche Autorität der Staatsangehörigen 
bleiben muß, die für Staatsangehörige im 
Auslande geltende Regel des alten Terri- 
torialitätsprinzipes: leges non valent extra 
territorium, für solche keine Anwendung 
finden dürfe, soweit nicht das öffentliche 
Recht eines anderen Territoriums diese 
Anwendung der lex patriae verhindere, 
um nicht Ausländer rechtlich besser zu 
stellen als seine Staatsangehörigen. An- 
dererseits versucht die moderne Theorie, 
das Personalitätsprinzip mit dem Terri- 
torialitätsprinzip zum Internationalitäts- 
prinzip zu verbinden: die rechtliche Frie- 
densordnung, die ein Territorium be- 
beherrscht, beherrscht damit die sich auf 
diesem Aufhaltenden, aber sie kann nicht 
Rechtsgebiete regeln wollen, denen 
Rechtsverhältnisse ihrer eigentümlichen 
Natur nach angehören oder unterworfen 
sind, wenn diese Rechtsgebiete nicht 
innerhalb der territorialen Grenzen des 
territorialen Herrschaftsbereiches ent- 
standen oder von ihnen umschlossen 
sind, und der gesetzgeberische Zweck der 
einzelnen Rechtsnormen muß über An- 
wendung des inländischen oder auslän- 
dischen Rechtes entscheiden. Indem so 
die erstere (italienisch - französische) 
Theorie, von ihrer Grundregel ausgehend, 
deren Ausnahmen festzustellen suchte, 
die andere (deutsche), die Ausnahme ihrer 
Grundregel zum Ausgangspunkte neh- 
mend, die Feststellung der Hauptregel 
unternahm, mußten die Ergebnisse beider 
Theorien vielfach zur Übereinstimmung 
gelangen (wofern nicht, wie in der eng- 
lisch-amerikanischen Theorie, das zu der 
unbedingten Geltung der lex rei sitae für 
Immobiliarvermögen erstarrte Territoria- 
litätsprinzip eine Verständigung von vom- 
herein verhinderte). Daß eine Sicherung 
des internationalen privatrechtlichen Ver- 
kehres sich aber nur verwirklichen läßt 
durch eine auf staatenrechtlicher Grund- 
lage aufgebaute Kodifikation der interna- 
tionalrechtlichen Kollisionsnormen (wie 
sie für den europäischen Kontinent die 
Haager Abkommen begonnen haben), 
darüber werden sich die verschiedenen 
Theorien mehr und mehr einig. Denn 
wenn auch die Ableitung eines Systemes 
des internationalen Privatrechtes allein 
aus den Normen des Völkerrechtes (zur-
	        
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