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Juristische Tatsachen sind äußere
Vorgänge, von denen die Rechte in ihrem
Bestande beeinflußt werden. Motive, Er-
wägungen können rechtlich bedeutsam
werden; sie sind jedoch nicht J; letztere
sind vielmehr die Ursache dafür, daß eine
Rechtswirkung eintritt.
, Juristischer Gebietserwerb s. Ge-
iet.
Juristisches Denken ist jene Vor-
stellungen vereinigende und verarbei-
tende geistige Tätigkeit, welche auf Er-
kenntnis des Rechtes in seiner Einwir-
kung und seinem Zusammenhange mit
den Lebensverhältnissen gerichtet ist.
Die Rechtserkenntnis setzt die Findung
des Rechts, sodann die Formulierung des
aufgefundenen und schließlich die Aus-
legung des formulierten Rechts voraus.
Insofern uns das Recht gewöhnlich schon
in formulierter Gestalt, den Gesetzen, ent-
gegentritt, beschränkt sich das juristische
Denken auf die Auslegung derselben. Da-
her hat sich eine Theorie des juristischen
Denkens eigentlich nur für die Auslegung
ausgebildet. Von der (grammatischen und
logischen) Interpretation der einzelnen
Rechtssätze ausgehend, hat sie zur syste-
matischen Darstellung der einzelnen
Rechtsgebiete geführt und ihren Abschluß
in der allgemeinen Rechtslehre, als ge-
meinsamer Grundlage aller Rechtsdiszi-
plinen, gefunden (vgl Art Methoden des
juristischen Arbeitens I). Da aber jede
Gesetzgebung (echte) Lücken enthält, ist
der Jurist auch heutzutage berufen, die-
selben durch Findung der der Natur der
Sache angemessenen Normen auszufüllen.
Ebenso fordert die gesetzgeberische Tä-
tigkeit die Mitwirkung des Juristen.
Wenn auch der Inhalt der auzuarbeiten-
den Gesetze — ein Gegenstand rechtspoli-
tischer Erwägungen — durch die gesetz-
gebenden Faktoren bzw die beteiligten
Interessentengruppen bestimmt wird, ist
doch die Formengebung (in Ausdruck und
Sprachgebrauch, Anordnung, Gliederung
und Fassung der einzelnen Vorschrift)
Gegenstand juristischer Gedankenarbeit
und juristischen Taktes. Die Mittel zur
Erreichung dieses Zweckes legt die Ge-
setzestechnik dar (vgl E. Zitelmann
Die Kunst der Gesetzgebung, Dresden
04; H. Gutherz Studien zur Gesetzes-
technik Teil I, Breslau 08).
Zur Erkenntnis des Rechts gehört auch
das Verständnis seiner Einwirkung auf
Juristische Tatsachen — ius offerendi.
die Lebensverhältnisse. Gewöhnlich wer-
den dieselben in Einklang mit den Rechts-
vorschriften stehen. Soweit das nicht der
Fall ist, ist der Jurist berufen, das Recht
in Anwendung zu bringen. Diese Anwen-
dung setzt natürlich die Kenntnis des zu
entscheidenden Tatbestandes (des Rechts-
falles) und Auslegung der darauf anzu-
wendenden Rechtsvorschrift voraus. Wäh-
rend man früher darin nur eine logische
Operation erblickte, die Subsumtion des
Tatbestandes unter den Rechtssatz, wird
jetzt mit Recht betont, daß das juristische
Denken zugleich eine Wertung der ein-
schlägigen Verhältnisse verlange. So
kann der Richter den Schuldner wegen
seines Verhaltens zum Schadensersatz nur
verurteilen, wenn seinem Urteile nach in
dem Verhalten eine Außerachtlassung der
im Verkehr erforderlichen Sorgfalt liegt.
Derartige Werturteile ethischer, sozialer,
wirtschaftlicher Natur bilden überhaupt
in zahllosen Fällen die Voraussetzung der
Subsumtion der Tatsachen unter das an-
zuwendende Recht (man denke z. B. nur
daran, daß der Schuldner die Leistung so
zu bewirken hat, wie Treu und Glauben
mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es ver-
langen) und zeigen zugleich, in welch um-
fassendem Maße die gesamte Auffassung
des Richters einen Bestandteil des juri-
stischen Denkens bildet.
Vgl Art: Methoden des jurist Arbeitens, inebes I 2;
K.G. Wurzel Das jurist Denken, Wien 04; M. Rumpf
Gesetz und Richter, Berlin 06; die Lehrbücher des bürger!l
Rechts über Auslegung und Anwendung der Gesetze und
die bezüglichen Stichworte. Qrueber.
ius ad rem s. Schuldverhältnis.
ius detractus s. Abschoß.
ius divinum s. Kirchenrecht, katho-
lisches.
ius Italicum (RRGesch) macht ein
Gemeinwesen zur colonia Italica, so daß
sein Grund und Boden die Rechtsstellung
als fundus Italicus und damit die Be-
freiung von der Grundsteuer erlangt.
ius offerendi (bürgR). Betreibt der
Gläubiger die Zwangsvollstreckung in
einen Gegenstand des Schuldners, dann
besteht ein Befriedigungsrecht Dritter
unter Ausschluß des Widerspruchs des
Schuldners, und zwar:
1. für einen Berechtigten, dessen Recht
an dem Gegenstande durch die Zwangs-
vollstreckung gefährdet werden würde;
2. für den Besitzer, dessen Besitz ge-
fährdet werden würde.
Die Befriedigung zwecks Abwendung
der Zwangsvollstreckung bewirkt, daB