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Der Ks ist unverantwortlich. Anord-
nungen und Verfügungen, die er im Na-
men des Reichs erläßt, bedürfen zu ihrer
Gültigkeit der Gegenzeichnung des
Reichskanzlers.. Durch die Gegenzeich-
nung übernimmt der Reichskanzler die
Verantwortlichkeit, R 17. Militärische
Befehle, die der Ks als Inhaber der Kom-
mandogewalt über Heer und Marine er-
läßt, bedürfen keiner Gegenzeichnung.
Der Kaiser ist nach außenhin der aus-
schließliche Vertreter des Reichs; in der
Ausübung der Vertretungsbefugnis ist
er aber durch innerstaatliche Vorschriften
vielfach beschränkt und gebunden.
Er hat das Reich völkerrechtlich zu ver-
treten, im Namen des Reichs Krieg zu er-
klären und Frieden zu schließen, Bünd-
nisse und andere Verträge mit fremden
Staaten einzugehen, Gesandte zu beglau-
bigen und zu empfangen. Die Kriegser-
klärung erfordert aber, falls nicht das
Reichsgebiet oder dessen Küsten ange-
griffen werden, die Zustimmung des Bun-
desrats; und Verträge mit fremden Staa-
ten bedürfen, insoweit sie sich auf solche
Gegenstände beziehen, die in den Bereich
der Reichsgesetzgebung gehören, zu ih-
rem Abschluß der Zustimmung des Bun-
desrats und zu ihrer Gültigkeit der Ge-
nehmigung des Reichstags, R 11. Diese
Beschränkungen der kaiserl Machtbe-
fugnisse sind freilich mehr rechtlich als
praktisch von Bedeutung; denn die Lei-
tung der auswärtigen Politik ruht aus-
schließlich in der Hand des Ks, und aus
der Leitung der auswärtigen Politik er-
gibt sich die Notwendigkeit von Krieg
und Frieden und der Abschluß von Bünd-
nissen meist von selbst.
Dem Ks liegt es ob, den Mitgliedern
des Bundesrats den üblichen diplomati-
schen Schutz zu gewähren, R 10. Er hat
die Exekution gegen ein Bundesglied zu
vollstrecken, wenn der Bundesrat sie we-
gen Verweigerung verfassungsmäßiger
Bundespflichten beschlossen hat, R 19.
Im inneren Staatsleben stehen dem Ks
die sog Prärogative der Krone gegenüber
dem Bundesrat und dem Reichstag zu.
Ihm steht es zu, den Bundesrat und den
Reichstag zu berufen, zu vertagen und zu
schließen. Aber auch dies mit bindender
Beschränkung: Bundesrat und Reichstag
müssen alljährlich berufen werden, der
Bundesrat ferner stets auf Verlangen eines
Drittels der Stimmenzahl und außerdem
Kaiser.
stets, wenn der Reichstag berufen wird,
R 12—14. Eine Auflösung des Reichstags
während der Legislaturperiode wird eben-
falls vom Ks ausgesprochen; sie erfordert
einen Beschluß des Bundesrats unter Zu-
stimmung des Ks, R 24. Im Bundesrat
führt der vom Ks ernannte Reichskanzler
den Vorsitz und leitet die Geschäfte, R 15.
An dem Reichsgesetzgebungsverfahren
nimmt der Kaiser als Reichsorgan nur for-
mellen Anteil. An der Bildung des Reichs-
gesetzgebungswillens ist er materiell nicht
beteiligt. Als König von Preußen stehen
ihm aber zu Gebote das 17fache Stimm-
recht Preußens im Bundesrat und die fer-
neren Rechte Preußens, im Bundesrat bei
Gesetzesvorschlägen über das Militärwe-
sen, die Kriegsmarine und gewisse Ab-
gaben sowie in gewissen Zoll- und Steuer-
sachen im Interesse der Aufrechthaltung
der bestehenden Einrichtungen den Aus-
schlag zu geben und dort auch bei Stim-
mengleichheit den Ausschlag zu geben,
R 5, 7, 35, 37. Formell ist der Ks am
Reichsgesetzgebungsverfahren besonders
dadurch beteiligt, daß ihm die Ausferti-
gung und Verkündigung der Reichsge-
setze übertragen ist, R 17.
Ihm steht es ferner zu, die Ausführung
der Reichsgesetze zu überwachen; viel-
fach ist ihm durch die Verfassung oder
durch andere Gesetze der Erlaß der er-
forderlichen Ausführungsverordnungen
übertragen.
Der Ks bestimmt die Richtung der in-
nern wie der äußern Gesamtpolitik. Nach
freiem Belieben ernennt und entläßt er
den Reichskanzler, des Reiches höchsten
Beamten und alleinigen Minister, R 15.
Er ernennt auch die übrigen Reichsbeam-
ten, läßt sie für das Reich vereidigen und
verfügt erforderlichenfalls ihre Entlas-
sung, R 18.
Er gebietet endlich über die Machtmittel
des Reichs. Die gesamte Landmacht und
die Kriegsmarine des Reichs stehen in
Krieg und Frieden unter dem Oberbefchl
des Ks; nur das bayerische Heer steht im
Frieden unter der Militärhoheit des Kö-
nigs von Bayern. Wenn die öffentliche
Sicherheit im Reichsgebiet bedroht ist,
kann der Ks jeden Teil desselben in
Kriegszustand erklären, R 53, 63, 68.
Über die besondere Stellung des Ks in
Elsaß-Lothringen und in den Schutzgebie-
ten s. diese Stichwörter.
Aus der untrennbaren Verbindung des