Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Kirchenrecht, katholisches (Quellen) — Kirchenordnung. 
und vom Kardinalstaatssekretär unter- 
zeichnet. 
Literae apostolicae simplices werden im 
Namen des Papstes von der zuständigen 
Behörde expediert und lateinisch adres- 
siert; sie werden ohne Siegel erlassen. 
Chirographa heißen solche Erlasse, 
welche vom Papste eigenhändig unter- 
schrieben sind; nach moderner Termino- 
logie heißen sie auch Breven. 
Encyclicae heißen diejenigen Erlasse, 
die an die Adresse aller Kirchenoberen 
oder an eine Mehrheit von ihnen gerich- 
tet sind; sie geben nicht selten Anweisun- 
gen für politische und andere Zeitfragen, 
greifen demnach oft in die Zuständigkeit 
der Staaten ein. 
Motuproprio heißt ein Erlaß aus freier 
Initiative, nicht in Briefform. 
3. Das Partikularkirchenrecht ist aus 
der Gesetzgebungsgewalt eines lokalen 
Oberen hervorgegangen; Statuten dieser 
Art dürfen das gemeine Kirchenrecht 
nicht abändern. a. Zuständig für den Er- 
laß partikularer Statuten sind die Bischöfe 
für ihre Diözese; man unterscheidet Diö- 
zesanstatuten (unter Mitwirkung des 
Domkapitels) und Synodalstatuten (unter 
Beratung mit dem Klerus). — b. Aposto- 
liche Vikare können für ihr Missionsge- 
biet, Armeebischöfe für das Militär, prae- 
lati nullius für ihre Kirchen oder für ihr 
Gebiet, Kapitel an Kathedralen und von 
Männerorden für ihre Rechtsverhältnisse 
Anordnungen erlassen. 
Kirchenrecht, gemeines evang. Der 
Begriff eines gemeinen evang K(ir)ch(en- 
rechts) steht nicht fest, die Existenz eines 
gemeinen evang Kch ist vielfach bestrit- 
ten. Es fragt sich, wie man dasjenige 
evang Kch zu charakterisieren hat, wel- 
ches nicht Kch einer einzelnen evang Lan- 
deskirche ist, vielmehr übereinstimmend 
das Kirchenleben mehrerer Rechisgebiete 
beherrscht. Friedberg u. a. führen in 
dieser Beziehung aus, daß die evang Lehre 
die Kirche nicht als einen Organismus hin- 
stelle, der einer rechtserzeugenden Tätig- 
keit fähig wäre, so daß es keine gemein- 
same Rechtsquelle gebe, aus welcher etwa 
das allen Rechtsgebieten verbindliche „ge- 
meine Recht“ fließe. Es handele sich stets 
nur um gemeinsames Kch, wenn eine 
Gleichheit der Rechtsnormen in den ver- 
schiedenen Landeskirchen hervortrete, 
nicht um eine Aufnahme von gemeinem 
Recht aus derselben Quelle. Eine klare 
Posener Rechtalexikon I. 
  
913 
Begründung dieser Auffassung findet sich 
leider nicht. Insbesondere muß der Satz 
großen Zweifeln unterliegen, daß die 
Kirche kein rechtserzeugender Organis- 
mus sein könne. Es ist daran festzuhalten, 
daß die evang Landeskirchen in An- 
sehung derselben kirchlichen und kirchen- 
rechtlichen Ideen begründet wurden, daß 
sie ihre Verfassung und Verwaltung auf 
dieselben Auffassungen gegründet haben, 
in denen sich gegenüber der katholischen 
Kirche die Reformation charakterisierte. 
Die lutherischen Kirchen wie andererseits 
die reformierten Kirchen haben ihre allen 
gemeinsamen Quellen, die nicht als Parti- 
kularrecht aufgefaßt werden können, viel- 
mehr als gemeines evang Kch gelten 
müssen. Die Quellen für die lutherischen 
Kirchen sind: 1. die Augsburgische Kon- 
fession, 1530; 2. die Apologie, 1531; die 
Schmalkaldischen Artikel, 1537; der große 
und kleine Katechismus Luthers, 1528, 
1529; sowie in einigen Landeskirchen 
noch die Konkordienformel. Rechtsquel- 
len der reformierten deutschen Kirchen 
sind: 1. der Heidelberger Katechismus, 
1562; 2. die Märkische Konfession, 1614 ; 
3, die Confessio Gallicana. Damit sind die 
grundlegenden kirchlichen Quellen be. 
zeichnet, auf die sich hinwiederum die 
übrigen, je nach der kirchlichen Geset-_ 
gebung verschiedenen Quellen gründery 
deren Inbegriff freilich nicht mehr als ge _ 
meines evang Kch bezeichnet werde. 
kann. 
Lüttgert Gibt es ein unmittelbar anwendbares zu 
meines evangelisches Kirchenrecht? Göttingen 92; 5% 
übrigen vgl die Lehrbücher des Kirchenrechts vonFran e. 
Friedberg, Sohm und Zorn. etschh _ = 
Kirchenordnung. Unter einer K ; 
weitesten Sinne Vereteht man jede zum 
Regelung kirchlicher Verhältnisse » mM 
stimmte Satzung. In einem engeren Sin _ 
denkt man dabei an große, organisaten — 
rische Ordnungen, insonderheit an kirch, _ 
liche Verfassungsgesetze. Von bsond_ 
rer Bedeutung für die Entwickelung 4 > 
ev Kirchenrechts sind die Kirchenordnu > 
gen des 16. Jahrhunderts. Die freie Ena = 
wickelung, wie sie Luther als Ideal vo r— 
schwebte, hatte sich nicht vollzogen urn 
bald nahm die Obrigkeit, von den Ref a 
matoren gerufen, die Neuregelung 3 m 
Verhältnisse in die Hand. Durch Vis it 
tionen besorgte sie die Überleitung in a —A- 
neuen Verhältnisse, und durch Gesay ae 
regelte sie das definitiv Gewordene. o. 
mell betrachtet sind diese Kirchenordg 
68 Kuun n-
	        
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