Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Korreal- und Solidarobligation. 
ein beneficium divisionis (vgli 22 D 16, 3, 
ı 1 S$ 11, 12 D 27, 3), 
Zur Erklärung dieser abweichenden Be- 
handlung nimmt nur Ribbentrop an, daß 
es sich im Falle der Korrealobligation 
um ein einziges, einheitliches Schuldver- 
hältnis handle, bei dem zwar verschiedene 
Verpflichtungsverhältnisse der einzelnen 
Schuldner, aber ein einheitlicher Grund, 
eine res una — $& 1 J 3, 16 — vorliege, 
und diese Einheit des Gegenstandes sei 
es, die die durch einen der Beteiligten 
hervorgerufene Erfüllung für und gegen 
alle wirksam werden ließe. In der Tat 
scheinen die Quellen auch bei der Kor- 
realobligation regelmäßig die Identität des 
Gegenstandes zu fordern. 
Allein die Erscheinung findet m. E. eine 
weit befriedigendere Aufklärung, wenn 
ınan die Entstehungsgründe der verschie- 
denen Arten von Gesamtschuldverhält- 
nissen ins Auge faßt. 
Wenn auch in einzelnen Fällen Kor- 
realschuldverhältnisse kraft besonderen 
Rechtssatzes entstanden sein mögen, so 
erfolgte ihre Begründung doch sicher ganz 
überwiegend durch Vertrag, und diese Art 
der Begründung wird auch die ursprüng- 
liche gewesen sein. Die älteste Form 
aber, in der sie zustande kam, war zweifel- 
los die des Verbalvertrags, der Stipula- 
tion, wobei die Korrealität aktiv durch 
Aussprechen der Frage seitens sämt- 
jicher Gläubiger oder passiv der Ant- 
woort durch sämtliche Schuldner begrün- 
det wurde. 
Durch die regelmäßige Errichtung in 
Stipulationsform hat nun aber die Korreal- 
obligation auch ihre eigentümliche Ent- 
wrickelung genommen. 
Der Umstand nämlich, daß jeder ein- 
zeilne Korrealgläubiger die Forderung 
selbständig akzeptoferieren kann, erklärt 
sich jetzt sofort durch die eigentümliche 
Form der Aufhebung der Stipulation, bei 
der die verba sollemnia: habesne accep- 
tıım ? habeo! selbständig befreiende Kraft 
hatten. Daß man von dieser Auffassung 
später nicht abging, hat seinen Grund in 
dem 2. Kapitel der lex Aquilia, wo es klar 
ausgesprochen steht, daß die Aczeptilation 
durch den Adstipulator auch das Recht 
des Hauptgläubigers vernichtet. Vgl in 
diesem Sinne auch Mitteis Gesch d., 
röm PrivRechts I 265 n. 23. 
Daß dieser Umstand in der Tat neben 
der bekannten Wirkung der Litiskontesta- 
  
959 
tion der Hauptgrund war, die objektive 
Einheit der Korrealobligation anzuneh- 
men, wird durch Quellenstellen belegt. 
Vgl131 81 D 46, 2. — Ja, vielleicht ist 
es sogar sein Einfluß gewesen, der die 
analoge prozessualische Behandlung erst 
verursacht hat. 
Somit erscheint die ursprüngliche Form, 
unter der die Korrealobligation begründet 
wurde, als die Ursache ihrer eigentüm- 
lichen rechtlichen Behandlung, - die auch 
dann noch fortdauerte, als Korrealschuld- 
verhältnisse auch durch formlose Ver- 
träge, und zwar nicht nur Kontrakte, 
stricti niris, sondern auch bonae fidei be- 
gründet werden konnten. 
Die Solidarobligationen dagegen, die 
auf einer gänzlich anderen Grundlage be- 
ruhen, haben dementsprechend auch eine 
erheblich abweichende Ausbildung er- 
fahren. 
Denn wenn man auch zuweilen die ab- 
weichende Form der Solidarobligation da- 
durch hat erklären wollen, daß man in 
ihr die Form des Gesamtschuldverhält- 
nisses bei den bonae fidei-Kontrakten er- 
blickte, so entbehrt diese Theorie dennoch 
jeglicher Begründung, ja die Quellen ste- 
hen mit ihr in direktem Widerspruch 
— vgl19 D45, 2 — und der Ursprung 
der Solidarobligationen ist daher anders- 
wo zu suchen. 
Wie sich nämlich bei aufmerksamer Be- 
trachtung der Quellen, die sichere Bei- 
spiele von Solidarobligationen nur auf der 
Passivseite bieten — vgl Girard- 
v. Mayr Manuel 811 Anm 2 und die dort 
Angeführten — von selbst aufdrängt, 
scheint es, daß diese Form ursprünglich 
nicht durch Vertrag begründet werden 
konnte, vielmehr wird sie ihren Ausgang 
von der Behandlung der Deliktsobligatio- 
nen genommen haben. 
Während nämlich das ältere Recht, wie 
wir aus der actio furti und der actio legis 
Aquiliae sehen können, bei mehreren Tä- 
tern gegen jeden eine Klage aufs Ganze 
gewährte, scheint im Beginne der Kaiser- 
zeit sich der Gedanke durchgesetzt zu ha- 
ben, daß man in solchen Fällen zwar von 
jedem Täter Ersatz des ganzen Schadens 
verlangen könne, denn jeder von ihnen ist 
ja für den entstandenen Schaden gleich- 
mäßig voll verantwortlich. Hat dagegen 
der Geschädigte von einem von ihnen Ge- 
nugtuung erhalten, so ist er zu weiteren 
Forderungen nicht berechtigt, da der
	        
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