Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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sind vorübergehende Stockungen im 
volkswirtschaftlichen Leben, welche ein- 
zelne oder gar alle Erwerbszweige ergrei- 
fen und als ein Rückschlag auftreten ge- 
genüber Zeiten des wirtschaftlichen Auf- 
schwunges und reger und gewinnbringen- 
der Tätigkeit, in welchen sich die Spekula- 
tion über das normale Maß hinaus ent- 
wickelt hat. Die Kr sind also stets auf die 
zu starke Entwicklung der Spekulation zu- 
rückzuführen, sie führen zu einer Einstel- 
lung oder doch erheblichen Einschrän- 
kung der Produktion, da es unmöglich ist, 
die vorhandenen Waren zu den erwarteten 
Preisen abzusetzen. Umfaßt die Kr nur 
einzelne Berufszweige, so spricht man von 
einer besonderen Kr dieses Erwerbszwei- 
ges, z. B. Agrarkr, Kr im Handwerk. Er- 
greift dagegen die Kr alle Kreise des wirt- 
schaftlichen Lebens, so spricht man von 
einer allgemeinen Kr. Man unterscheidet: 
Börsen-, Kredit- und Absatzkr. 
Börsenkr werden durch ein auf den 
wahren Wert oder darunter erfolgendes 
Zurückgehen der Kurse von Aktien und 
sonstigen Wertpapieren hervorgerufen, 
nachdem vorher die Kurse infolge von 
Spekulationen übermäßig in die Höhe ge- 
trieben waren. Durch die entstehenden 
Kursverluste werden zahlreiche Börsen- 
interessenten schwer getroffen, was wie- 
der den Zusammenbruch anderer Ge- 
schäftsleute zur Folge haben kann. 
Kreditkr können einmal die Folge vor- 
aufgegangener Börsenkr sein. Infolge der 
übermäßigen Spekulation ist das Ver- 
trauen der weitesten Schichten der Ge- 
schäftswelt in die Kreditfähigkeit ihrer 
Abnehmer geschwunden. Die Kreditkr 
können aber auch ihre Ursache in einer 
plötzlichen, durch Krieg und politische 
Umwälzungen hervorgerufenen Entwer- 
tung der Währung, insbesondere des Pa- 
piergeldes haben. 
Die Handelskr können ihrerseits wie- 
der durch die allgemeinen Kreditkr ver- 
anlaßt sein. Handel und Industrie ver- 
mögen das von ihnen benötigte Kapital 
nicht zu erhalten oder nur unter bedeu- 
tenden Zinsopfern. Ihre Tätigkeit wird 
hierdurch aufs schwerste geschädigt, ja 
lahmgelegt. Regelmäßig sind jedoch die 
Handelskr durch Absatzkr verursacht. 
Die Produktion hat mit dem Konsum 
nicht Schritt gehalten, sondern ist ihm 
weit voraufgeeilt. Die Folge einer sol- 
chen Überproduktion ist die Entwertung 
ı staatliche Fürsorge, SchmollersJ, 79; 
  
  
Krisen — Kritik. 
der vorhandenen Bestände, für welche 
eine Absatzmöglichkeit nicht vorhan- 
den ist. 
Neuwirth Die Spekulationskrisis von 1873, 74; 
Schaeffle Der Wiener Krach, ZStaatsw, 74; Rodbertus 
Zur Beleuchtung der sozialen Frage, 75, 88; Brentano 
Die Arbeiter und die Produktions n, SchmollersJ, 78; 
Nasse Über die Verhütung von Produktionskrisen durch 
Wirth Die Ge- 
schichte der Handelskrisen, 82; Wolt Die genwärtige 
Wirtschaftekrisis, 88; Wasserab Preise und Krisen, 89; 
v. Bergmann Die Wirtschaftskrisen, Geschichte der 
nationalökonomischen Krisentheorien, 95; Oldenberg 
Zur Theorie der volkswirtschaftlichen Krisis, SchmollersJ . 
. a 
Kritik ist eine wissenschaftliche Me- 
thode, die zur Feststellung des Vorhan- 
denseins eines Rechtssatzes dient. 
1. Textkritik (niedere Kritik) befaßt sich 
mit dem Wortlaute als solchem. Sie be- 
stimmt die einzelnen Worte genau, ent- 
deckt das Fehlen eines Buchstaben oder 
eines Interpunktionszeichens, sie rügt Re- 
daktionsversehen, Schreibfehler und Män- 
gel der Drucklegung. Die Textkritik ist 
nicht zu unterschätzende Kleinarbeit. Sie 
kann jedoch auch bei Juristen philo- 
logische Liebhabereien befriedigen und in 
ihrer Vollendung zur Lebensbeschäfti- 
gung ausarten. Die Textkritik ist für den 
Juristen ein notwendiges Übel. 
Bei modernen Gesetzestexten kommen namentlich 
Fehler in der Drucklegung in Betracht. So wurde sm 
1. Juni 1891 eine Novelle zur Gw In falscher Fassung 
Gesetz; sie wurde im RGBl 98 383 berichtigt. 
Nicht wenige Fehler finden sich In privaten Abdrücken 
von Gesetzen. Ein Beispiel bietet folgender Fall: In B 
2276 wird auf B 2233—2245 verwiesen. In einer privaten 
Textausgabe, die ein Amtsrichter benutzte, stand aber als 
Verweisung: B 2243 —2245, und infolgedessen beurkundete 
der Richter einen Erbvertrag fälschlich ohne Zuziehung 
eines Gerichtsschreibers. Da der Vertragerbe hierdurch 
nicht gültig eingesetzt war und dem gesetzlichen Erben 
die Erbschaft auszuantworten gezwungen war, mußte ihm 
der Richter im Regreßwege Schadensersa’ z. leisten. 
Die beste und billigste Textausgabe der Reichsgesetze 
ist das RGBl. 
2. Diplomatische (höhere Kritik) ist eine 
Methode, die prüft, ob ein Rechtssatz echt 
ist. Handelt es sich dabei um Prüfung 
urkundlicher Unterlagen, Handschriften, 
Antiquitäten, dann bildet die Kritik einen 
Teil der Diplomatik, d. h. derjenigen Wis- 
senschaft, die sich auf die Erforschung 
und Prüfung von Urkunden bezieht. Im 
Anschlusse an die letzten Funde von Pa- 
pyri hat sich ein neuer Zweig dieser Wis- 
senschaft gebildet (Papyrologie). 
3. Soll festgestellt werden, ob ein 
Rechtssatz, dessen Wortlaut korrekt pub- 
liziert ist, auch bei Nachprüfung seines 
Werdeganges als echt erscheint, so ist da- 
bei zu beachten, welche Bedeutung die 
Tatsache der Publikation hat. Die Mit- 
teilung des Gesetzestextes, z. B. im 
Reichsgesetzblatte, ist nicht lediglich eine 
Nachricht über das vollendete Gesetz: 
sie ist vielmehr die einzige, zur Befolgung
	        
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