Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Kunst. 
vor allem Immanuel Kant Kritik der Ur- 
teilskraft. 
2. Die wesentlichen Kompo- 
nenten der Kunst. Aus der gegen- 
sätzliichen Artgestaltung des Kunstschö- 
nen zu Erkennen und Wissen einerseits, zu 
Begehren und sinnlichem Fühlen anderer- 
seits wurde als Definition der Kunst der 
antithetische Doppelbegriff des „geform- 
ten Gefühls‘“ oder der „abstrakten Sinn- 
lichkeit‘° gewonnen. Damit ist gesagt, 
daß als —- die dualistische — Grundlage 
der Kunst sowohl Anschaulichkeit gefor- 
dert wird wie Ausdruck einer „Idee“, die 
allerdings ebenfalls wieder anschaulich, 
d. h. sinnliche Form sein muß. 
Nach den anschaulichen Formen, in 
denen die Reihe der verschiedenen 
menschlichen physiologischen Gefühls- 
kategorien ihren idealen Ausdruck erstre- 
ben, unterscheidet man die verschiedenen 
Arten der Künste. Von den Sinnen kom- 
men im wesentlichen nur Gesicht, Gehör 
und der taktische oder Tastsinn in seiner 
anzen Verzweigung in Betracht. Das 
Gefühl, als spezifisch sinnlicher Ober- 
flächensinn, Geruch wie Geschmack sind 
viel zu sehr mit der Materie eng verbun- 
den, als daß sie sich ein eigenes ideales, 
formales Kunstgebiet auszugestalten ver- 
möchten, obwohl neuere, besonders raffi- 
nierte Künstler, wie Oskar Wilde, auch 
die Möglichkeit von rein ästhetischen „un- 
begehrlichen“ Künsten des Geruchs und 
des Geschmacks behauptet haben. 
Reiner Ausdruck des optischen Gefühls 
sind Maalerei und Zeichenkunst, reiner 
Ausdruck _des akustischen Gefühls ist die 
Musik. Eine in ihrer spezifischen Art 
recht komplizierte Zwischenstellung zwi- 
schen dem optischen und dem tastenden 
Raumpgefühl nehmen als rein ästhetische 
Ausdruckskünste Plastik und Architektur 
n wobei die Plastik aber noch den 
re nen optischen Künsten näherrückt. Die 
Le! hitektur und die ihr verwandten tek- 
Nischen Künste, das sog Kunstgewerbe 
ton oses, 1. Abschnitt), deuten in forma- 
(S- weise alle die räumlichen und Schwer- 
ee ichtsgefühle aus, welche uns der in 
gen verschiedenen Sinnessphären orien- 
ar psychische Komplex des Tastsinns, 
tierte sinns und statischen Sinns auslöst. 
Rau imisch - choreographischen Gattun- 
DIE Ti r Tanz und die eigentlich optische 
ge darstellung, abstrahiert von aller 
zıda . - 
Erachlichen Reproduktion der Dicht- 
  
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werke, beschäftigen sich mit einer idealen 
Formung der rhythmischen, akustischen 
und optischen Gefühle in ihrer engsten, 
Psychologisch unlösbaren Verquickung. 
Noch weit schwieriger erscheint es, den 
Gefühlsinhalt der Dichtkunst in ihrer 
ganzen Weite eindeutig zu definieren: 
Schlechterdings ist sie nichts anderes als 
„Formung der Sprache‘, dieses Univer- 
salausdrucksmittels für Gedanken wie Ge- 
fühle der ganzen Menschheit, oder „Form 
anschaulicher Logik‘, wobei dann freilich 
eine Abgrenzung zu verlangen ist einer- 
seits gegen die Welt des sich in der 
Sprache aussprechenden materiellen Wil- 
lens (Tendenzliteratur), andererseits ge- 
gen die in der Sprache sich erklärende ab- 
strakte Begrifflichkeit (Gedankenpoesie). 
Die Scheidung der Kunst als solcher von 
einem materiell interessierten — also un- 
künstlerischen — Inhalt ist in der Dicht- 
kunst sicher am schwersten reinlich durch- 
zuführen. — 
Nachdem die verschiedenen physiologi- 
schen Gefühlsgebiete der Kunst und ihre 
möglichen Formungen erörtert worden 
sind, ist die innere Organisation der Kunst 
darzulegen. Über die ihr notwendig 
eigene „ideale Zweckmäßigkeit‘“ wurde 
bereits oben bei Analyse des Begriffes des 
Kunstschönen gehandelt. Diese ideale 
Zweckmäßigkeit wirkt als „künstlerische 
Notwendigkeit“ im Kunstwerke in man- 
cherlei Form (Übereinstimmung, Gleich- 
maß, Gleichklang, Symmetrie) regulierend 
der ‚künstlerischen Lebendigkeit“ ent- 
gegen, welche als die frei schaffende 
Phantasie des künstlerischen Gefühls das 
materielle Korrelat zu der formalen Not- 
wendigkeit, zu der künstlerischen Ord- 
nung im Kunstwerke bildet: „Kunst ist 
immer Ordnung, von allen Postulaten 
bleibt das eine Muß und das eine Soll 
das allen Launen der Zeit, allen Aus- 
jegungen widersteht.“ (Jul. Meier- 
Graefe.) Die künstlerische Notwendig- 
keit stellt die Einheit, die künstlerische 
Lebendigkeit die Mannigfaltigkeit im 
Kunstwerke dar. „Einheit in der Mannig- 
faltigkeit, Mannigfaltigkeit in der Einheit‘ 
lautet die alte ästhetische Definition des 
Künstlerischen, welche zuerst von Moses 
Mendelssohn formuliert worden ist (TO &v 
ev TW nold. TO noAd &v zo &vi). 
Die künstlerischen Elemente, die sich 
nun nach diesen beiden Prinzipien, dem 
positiv produzierenden der Lebendigkeit 
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