Kunstwerk — Kunstwerkschutz.
nische bedingt, daß alle Teile des Kunst-
werkes nicht zufällig und unzusammen-
hängend sind, sondern innerlich notwen-
dige, starke Beziehungen untereinander
haben, was das Gesetz der ästhetischen
funktionellen Verknüpfung, der sog
„künstlerischen Wirkungsrelativität‘‘ po-
stuliert: Die Einzelelemente des Kw sind
nicht absolut, sondern relativ in bezug auf
ihre Wirkungsmöglichkeit.
Die formale Qualifizierung des Kw als
Organismus verbürgt die ästhetische Wir-
kungsfähigkeit seines Inhaltes, den spe-
zifischen Ausdruck von lebendigem Ge-
fühl, von bewegtem Leben: „Alle Kunst
ist Symbol. Sie well das bewegliche
Leben in unbewegliche Form bannen,
und diesen scheinbaren Widerspruch auf-
zulösen, ist die Aufgabe des Künstlers,‘
schreibt Max Liebermann. Diese
Tatsache macht den persönlichen Einzel-
wert des Kw aus. Nun besteht aber in
der Kunst, wie wir in unserer Definition
des Kunstschönen gesehen, außer der
individuellen Abschließung gleichzeitig
auch ein Hintendieren zur Allgemeinheit:
Das Kw ist ein subjektiv-objektiv sich
gebender Organismus. Nicht nur neue
ästhetisch Werte muß das Kunst-
werk uns darzubieten haben, sondern
auch solche von bleibender, großer, all-
gemeiner Bedeutung. Es hat die Auf-
gabe der „Klärung und Bereicherung“
unserer individuellen Vorstellung (Lud-
wig Volkmann). Es soll die indi-
viduelle Form zu einer überindividuellen
vereinfachen, der individuellen Form
ästhetisch verbindliche Allgemeingültig-
keit verschaffen.
Ob nun im Einzelfalle diese Bedingun-
gen erreicht sind, ist jedesmal einzeln zu
entscheiden. Aber die Entscheidung kann
nur von solchen Personen vorgenommen
werden, die den gesamten Bedingungs-
komplex von Kunst, Kunstschaffen und
Kunstschöpfung durchaus verstandes- wie
gefühlsmäßig beherrschen, d. h. praktisch
von Künstlern und Kunstforschern. Ja,
hier wird sogar noch vorher zu fragen
sein, ob der betreffende künstlerische
Richter zu der strittigen Kunstspezialität
die genügende intime Fühlung besitzt,
d. h. in des Wortes intensivster Bedeutung
sachkundig ist. Denn Kunst ist, sehr im
Gegensatze zu einer weitverbreiteten tö-
richten Ansicht, niemals ‚„Geschmacks-
sache‘, sondern Sache der Intensität des
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spezifischen ästhetischen Verständnisses.
Das ästhetische Verständnis hat gewiß
Anspruch auf Allgemeingültigkeit; es ist
„opinion esthetiquecommune imGegen-
satze zu irgendwelchen Ideen einer nur pe-
ripherischen Geschmacksschönheit. Aber
seine spezifische ideale Art verhindert es,
„opinion generale‘ zu sein, d. h. die ba-
nale Vorstellung der nicht idealisierten,
natürlich sinnlichen Schönheit des bloß
physisch Zweckdienlichen zu sein (vgl
auch den betr Abschnitt über die ästhe-
tische Allgemeinverbindlichkeit des Kunst-
schönen im 1. Teil des Artikels „Kunst‘:
Theorie des Kunstschönen). Hoeber.
Kunstwerkschutz. Das am 1. Juli
1907 in Kraft getretene Reichsges betr
das Urheberrecht an Werken der bilden-
den Künste und der Photographie vom
9. Jan 1907, das sog Kunstschutzgesetz,
lehnt sich im wesentlichen an die bis da-
hin in Geltung gewesenen Ges vom 9. Jan
und 10. Jan 1876 an, von welchen das letz-
tere völlig, das erstere bis auf einige nahe-
zu bedeutungslose Paragraphen aufgeho-
ben ist. Das neue Gesetz erweitert den
Schutz nach Inhalt und Umfang den prak-
tischen Bedürfnissen entsprechend, es
umfaßt den eigentlichen K(unst)w(erk-
schutz) und den Bildnisschutz (s. dieses
Stichwort).
Gegenstand des Kw sind nach $ 1
Werke der bildenden Künste und der Pho-
tographie, zu den Werken der bildenden
Künste gehören nach $ 2 die Erzeugnisse
des Kunstgewerbes (s. dieses Stichwort),
ferner Bauwerke, soweit sie künstlerische
Zwecke verfolgen, sowie Entwürfe für Er-
zeugnisse des Kunstgewerbes und für
Bauwerke in diesem Sinne. Als Werke
der Photographie gelten auch solche
Werke, welche durch ein der Photogra-
phie ähnliches Verfahren hergestellt wer-
den, 8 3, Subjekt des Schutzes ist der Ur-
heber solcher Werke, welche Gegenstand
des Kw sind. $ 5 stellt eine Fiktion zu-
gunsten juristischer Personen des öf-
fentlichen Rechtes auf, $ 6 regelt die
Frage der Urheberschaft bei Sammelwer-
ken, $ 7 bei Verbindung mehrerer Werke.
Unter Umständen besteht unter mehre-
ren Urhebern eine Gemeinschaft nach
Bruchteilen, $ 8. Bei pseudonym oder
anonym erscheinenden Werken ist der
Herausgeber, event der Verleger zur
Wahrnehmung der Rechte des Urhebers
berechtigt, $ 9 Abs 2.