Lehrjahre. 95
(27, Februar) legte er eine solche Unerschrockenheit an den Tag, daß ihm der
Kaiser Alexander I. von Rußland am 5. März das Georgenkreuz und sein
Vater am 10. März — dem Geburtstage der Königin Luise und zugleich dem
ersten Jahrestage der Stiftung des Eisernen Kreuzes — diese höchste Aus-
zeichnung aus der Zeit des Befreiungskrieges verlieh. Weiter wohnte der
Prinz im März den Gefechten bei Arcis-sur-Aube und bei La Fere Champenoise
sowie der Schlacht vor Paris (31. März) bei. Nach seiner Ernennung zum
Major (30. Mai) begleitete er den König nach England und der Schweiz, von
wo er im August nach Berlin zurückkehrte. Als der Prinz im Juni 1815
mit seinem Bataillon von neuem nach Frankreich abrückte, hatte inzwischen
die große Entscheidungsschlacht bei Waterloo stattgefunden und der zweite
Siegeszug der Preußen nach Paris war vor sich gegangen. Seit 30. März
1817 zum Oberst ernannt, erhielt Prinz Wilhelm nun auch Sitz und Stimme
im Staatsrat, und als Beweis der besonderen Zufriedenheit des Königs mit
seinen militärischen Leistungen wurde ihm am 7. Juni 1817 das 7. Infan-
terieregiment, heute Königsgrenadiere, verliehen; weiterhin ernannte ihn der
Kaiser Alexander I. von Rußland, zum Andenken an den Tag von Barssur-
Aube, 1818 zum Chef des Regiments Kaluga. In demselben Jahre rückte
Prinz Wilhelm zum Generalmajor auf, als welcher er eine Garde-Infanterie-
brigade und seit 1. Mai 1820 die 1. Gardedivision befehligte, bis er am
18. Juni 1825 mit dem Range eines Generalleutnants das Kommando über
das dritte Armeekorps erhielt. Letzteres vertauschte er 1838 mit dem über das
Gardekorps, an dessen Spitze er seit 10. September 1840 als General der
Infanterie bis zum Jahre 1848 blieb. Außerdem wurde er teils mit der
Leitung und dem Vorsitze in allen Kommissionen, welche neue Dienstreglements
und Instruktionen auszuarbeiten hatten, teils mit der vorübergehenden Führung
von größeren Kavalleriemassen, der Anordnung von Manövern und Reuvuen,
teils mit militärischen Missionen nach dem Auslande, so nach Rußland und
England, betraut. Durch seine Teilnahme an organisatorischen, administrativen
und andern Geschäften und infolge der ihm vielfach gegebenen Gelegenheit,
wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln, bildete sich der Prinz zum ersten
Soldaten des preußischen Heeres aus.
Am 11. Juni 1829 ging Prinz Wilhelm seinen Lebensbund mit der am
30. September 1811 geborenen Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar
ein, deren Schwester Marie die Gemahlin seines jüngeren Bruders, des Prinzen
Karl, war. Seiue Lebensgefährtin schenkte ihm am 18. Oktober 1831 den
Prinzen Friedrich Wilhelm und am 3. Dezember 1838 die Prinzessin
Luise, seit 20. September 1856 Großherzogin von Baden. Als Thronfolger
seines kinderlosen Bruders, Friedrich Wilhelms IV., führte Prinz Wilhelm nach
seines Vaters Tode (7. Juni 1840) den Titel „Prinz von Preußen“. .
Gegen Ende des fünften Jahrzehnts zogen jene schweren Stürme heran,
von denen wir bereits gesprochen haben. Der Zeit schwärmerischen Ringens
um die Güter politischer Freiheiten folgte im Jahre 1848 der Ausbruch der
in falsche Bahnen geleiteten deutschen Volkskraft. Revolutionen erschütterten die
alten Ordnungen und bedrohten auch den preußischen Königsthron, da Fried-