Neuer Entwurf. 107
Truppenteil des stehenden Heeres gemacht und den drei Unteroffizierschulen eine
vierte hinzugefügt werden.
Die Dienstpflicht in der Linie und in der Reserve betrug auf Grund des
Reorganisationsplanes für die Folge zusammen sieben Jahre, die in der Land—
wehr neun, die Gesamtdienstpflicht war mit 16 Jahren erfüllt, während dies
vorher erst in 19 Jahren erreicht wurde.
Fortan genügte bei einem Kriege von geringer Bedeutung die Heran—
ziehung der Altersklassen vom 20. bis 27. Lebensjahre, mit andern Worten
die Verwendung von Linie und Reserve. Die Landwehr brauchte nicht mit
ins Feld zu rücken, sie konnte meist zum Dienst in der Heimat verwendet.
somit geschont werden.
Die Armeereform hat durch die Bluttaufe der Jahre 1866 und 1870
ihre Daseinsberechtigung und Angemessenheit glänzend erwiesen; man würde
aber sicherlich nicht mit so großem Mißtrauen den Absichten des Prinz-Regenten
entgegengetreten sein, wäre früher schon die Sorgsamkeit bekannt gewesen,
welche der Prinz von Preußen seit Jahrzehnten diesem hochwichtigen Gegen-
stand, unter richtiger Würdigung der Umstände,. gewidmet hatte.
Überzeugt von der Notwendigkeit einer Verbesserung der Heeresverfassung,
arbeitete er nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel auf Verstärkung
der preußischen Streitmacht ebenso rüstig wie umsichtig hin. Während es
damit manchem Ungeduldigen noch zu langsam ging, ward das unablässige
Betreiben dieser Angelegenheit von den Gegnern als gefahrdrohend für das
Verfassungsleben angesehen und ein minder beschleunigtes Vorgehen für
zweckdienlicher erachtet. Heute besteht hinsichtlich des wirklichen Wertes des
großen Reorganisationswerkes kein Zweifel mehr. Selbst die alten Gegner
geben bereitwillig zu, daß in der Wehrthätigkeit Preußens und Deutschlands
die besten Bürgschaften für den Bestand der großen Errungenschaften der
Gegenwart liegen.
Zu Anfang der sechziger Jahre war man freilich von der Richtigkeit der
königlichen Ansichten nicht überzeugt. Eine solche Kräftigung und Verstärkung
der Armee, mitten im Frieden, hatte keiner der Vorfahren des Königs Wilhelm
versucht, keiner zu wagen nötig gehabt.
Schon Ende der fünfziger Jahre hatte Preußen sich bemüht, größeren
Einfluß auf Gestaltung und Ausbildung der Streitkräfte seiner kleineren Nach-
barn zu gewinnen, und es hatte vornehmlich in den nach Maßgabe ihrer
geographischen Lage seiner Führung zufallenden norddeutschen Staaten eine
Einigung zustandegebracht. In den meisten dieser Staaten war, wie wir
bereits erwähnten, das preußische Exerzier= und Dienstreglement, preußische
Bewaffnung und Uniformierung eingeführt worden. In Koburg-Gotha, Sachsen-
Meiningen, den anhaltischen Herzogtümern, den schwarzburgischen, reußischen
und lippeschen Fürstentümern und dem Großherzogtum Mecklenburg wurden
preußische Offiziere an die Spitze der Militärbehörden gestellt. Die Division
des letztgenannten Staates wurde überhaupt vollständig auf preußischem Fuße
organisiert. In Oldenburg kamen die preußischen Militäreinrichtungen zum
größeren Teil in Ausführung, und selbst das braunschweigische Kontingent nahm,