Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

Wert und Zweck der Manöver. 117 
städtischen und ländlichen Verwaltungen nehmen am liebsten Leute an mit 
guten Zeugnissen über die abgeleistete Militärdienstzeit. Niemand mag die 
Vorteile der Erziehung zur Pflichterfüllung missen, die der junge Mann im 
Heere erlangt. Die Kenntnisse außerdem, welche der Soldat, der in berittenen 
Truppen dient, in der Behandlung des Pferdes, im Hufbeschlag u. s. w. er- 
wirbt, kommen ihm im bürgerlichen Leben vielfach zu statten. Die Verbesserung, 
welche auch der Hufbeschlag auf dem Lande durch die in den Lehrschmieden 
ausgebildeten Mannschaften erlangt hat, sind von den Vertretern der Land- 
wirtschaft längst anerkannt. Diese greifbaren Vorteile neben dem Anreiz des 
Ruhms und der Ehre, welche das Vaterland seiner Armee verdankt, haben dem 
Heere seine Volkstümlichkeit erhalten, ja dieselbe mehr und mehr gesteigert. 
Und das zeigt sich gerade bei den Manövern und ganz besonders bei den 
Kaisermanövern. 
Unter „Manövrieren“ versteht der Militär das Streben, auf den Gegner, 
zunächst lediglich durch Bewegungen, einen Zwang auszuüben. Da die Ent- 
wickelung des Kampfes bedingt wird durch die Lage, in welcher die streitenden 
Teile bei Beginn der Waffenwirkung aufeinander stoßen, so bildet die Sicher- 
heit, womit die Mobilmachung, die Anordnung des Vormarsches, die Ver- 
schiebung der Kräfte erfolgt, einen ganz wesentlichen Teil der Uberlegung der 
Führer. Hier liegt das Gebiet, auf welchem die letzteren unter kriegsähnlichen 
Verhältnissen herangebildet werden. Der Begriff Manöver im allgemeinen 
umfaßt daher diejenigen Übungen größerer Truppenverbände gegeneinander, 
bei welchen Unkenntnis über die Maßnahmen der Gegner herrscht und wo, 
wenigstens bis zu dem Zusammenstoß, die Verhältnisse des wirklichen Krieges 
nachgeahmt werden können. 
In erweitertem Sinne bedeutet das Manöver aber auch eine Vorbe- 
reitung zum wirklichen Kampfe größerer Massen. Was die Manövergzefechte 
von dem erwähnten Gefechtsexerzieren unterscheidet und auszeichnet, ist wiederum 
die freie Bethätigung des Entschlusses beider Gegner in jedem Augenblick des 
Gefechtes. Wie weit Einschränkungen durch die Natur der Friedensübungen 
geboten sind, ergibt sich von selbst. Zwar bleibt die einzelne Kampfeshand- 
lung, welche die Truppe ausführt, dieselbe im kleinen wie im größeren Verbande, 
allein es bringt Vorteil, wenn jeder Mann, der dafür Verständnis besitzt, 
die überraschungen und Wandlungen überschauen lernt, welche den Gang eines 
größeren Gefechts beeinflussen. 
Auf Grund der von verschiedenen, hier in Betracht kommenden Seiten 
erhaltenen Mitteilungen entwerfen die Führer der sich gegenüberstehenden 
Truppen ihre Anordnungen. Allerdings sind ja im Frieden die Stärkever- 
hältnisse gegenseitig bekannt, jedoch bleibt es immer ungewiß, an welcher Stelle 
man den Gegner stärker oder schwächer trifft, und schließlich gibt es in der 
häufigen Anwendung der Mitwirkung „fingierter“ Truppen, die man durch 
Flaggen „markiert“, einen Zwang für beide Teile, sich vor Überraschungen 
zu hüten. 
Damit die Oberleitung eines Manöververlaufes im stande sei, die sich 
vorbereitende Entwickelung annähernd zu erkennen, werden dem Oberbefehls-
	        
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