140 Fürst Otto von Bismarck-Schönhausen, der erste deutsche Reichskanzler.
tarischen Auftreten verdankte. Der Minister v. Manteuffel wünschte die Ver-
tretung Preußens am Sitze des deutschen Bundesregiments durch eine dem
Wiener Hofe genehme Persönlichkeit, und König Friedrich Wilhelm IV. hatte
gegen Bismarcks Ernennung nichts einzuwenden; denn „er hatte Bismarck sehr
lieb und erwartete viel von ihm“. Dieser aber meinte: Seine Moajestät
könnten es ja mal mit ihm versuchen!
Hier in Frankfurt hob nun die merkwürdige Wandlung in Bismarcks
politischen Ansichten an. Das Geschick hatte ihn dahin geführt, wo es ihm
zur Pflicht ward, über seine Heimat hinaus das Wohl und Wehe des großen
Ganzen ins Auge zu fassen. Zunächst fand er Gelegenheit, sich ein eignes
Urteil über die „Deutsche Bundesinstitution“ zu bilden. Charakteristisch war
schon die erste Zusammenkunft des neu ernannten Legationsrates von Bismarck
mit dem österreichischen Präsidialgesandten Grafen Thun zu Frankfurt a. M.
gewesen. Graf Thun fühlte sich als Vertreter der Vormacht am Bunde —
er benahm sich danach und behandelte den preußischen Legationsrat etwas von
oben herab. Seine Exzellenz fuhren beim Besuch des märkischen Junkers fort,
ihre Zigarre zu rauchen und luden den Eingetretenen nicht einmal zum Platz-
nehmen ein. Aber der Graf war diesmal an den Unrechten gekommen. Ton
und Haltung des Grafen annehmend, holte Bismarck seine Zigarrentasche her-
vor, langte eine Zigarre heraus und sagte: „Exzellenz, ich bitte um Feuerl!“
Der Präsidialgesandte, anfänglich verblüfft, bemühte sich, gute Miene zum
bösen Spiel zu machen, während jener nach Wohlgefallen dampfte, indem er
sich auf einen Sessel niederließ, und die Besprechung beider begann, als sei
nichts vorgefallen.
Bismarck erkannte bald, daß man in Wien darauf ausgehe, Preußen
zu erniedrigen und „Deutschland fremden Interessen aufzuopfern“; dem Drucke
dieser Politik beschloß er Deutschland oder wenigstens Norddeutschland zu
entziehen. Seit die schleswig-holsteinische Frage wieder in den Vordergrund
getreten war, konnte ihm nicht entgehen, welche auffallende Freundschaft man
in Osterreich für Dänemark kundgab, und er sah, wie man von Wien aus alle
Hebel ansetzte, um den Zollverein zu sprengen; daher erschien ihm jetzt ein
Zollparlament wünschenswert, damit die Fortdauer des Zollvereins nicht an
der Stimmenführung von fünfzig ständischen Körperschaften scheitere. In einem
oft angeführten Briefe aus Petersburg vom 12. Mai 1859 an den preußischen
Minister des Auswärtigen von Schleinitz tritt bereits der gereifte Entschluß
zu Tage, die Fesseln des Bundes bei günstigem Anlaß zu zerreißen, da er sie
für Preußen drückend, in kritischen Zeiten selbst lebensgefährlich“ findet.
Während Osterreich den Bund ausnutzt, setzen die Bundesregierungen den
Wünschen Preußens, selbst da, wo sie sich mit ihnen in Ubereinstimmung be-
finden, immer „nur einen langsam weichenden Damm entgegen“. Auf Kosten
Preußens wollten sie das Bundesverhältnis so gestalten, daß Osterreich allein
die führende Macht sei, und diese „österreichische Spitze“ sollte gegen Preußen
gekehrt sein. Wohl ist in ihm der Junker noch so mächtig, daß, wenn er die
Wahl hätte, er am liebsten im Bunde mit „aller Herren Ländern“ der Hyder
der Revolution den Kopf zertreten möchte. Indessen erschienen ihm kaum