4 Zustände in Deutschland, Preußen und Österreich.
Spitze freilich große Meinungsverschiedenheit herrschte. Statt eines machtvollen
Deutschlands war aus den Beratungen des Wiener Kongresses ein Staatenbund,
ein lockerer völkerrechtlicher Verband, hervorgegangen, der die Selbstherrlichkeit
der Einzelstaaten gänzlich unangetastet ließ. Die Wiederaufrichtung der Kaiser-
herrlichkeit unterblieb, weil gerade die Mächtigen dies nicht wünschten. Man
wies darauf hin, wie wenig das Kaisertum in den letzten Jahrhunderten ge-
golten, wie sehr dagegen in dieser Zeit die Macht der einzelnen Fürsten zu-
genommen hatte; es stand zu befürchten, daß die großen und kleinen Herren
nicht freiwillig einen größeren Teil ihrer Gewalt wieder an ein gemeinsames
Oberhaupt abtreten würden. Deshalb beschloß man, die Selbständigkeit der
einzelnen Staaten ungefähr in derselben Weise, wie sie aus dem Rheinbunde
hervorgegangen, fortbestehen zu lassen, diese selbständigen Staaten aber zu
Einem Bunde zu vereinigen.
Ver Deutsche Ound. Am 8. Juni 1815 wurde die Urkunde dieses Bundes,
die sogenannte Bundesakte, unterzeichnet. Zum Deutschen Bunde gehörten:
der Kaiser von Osterreich, die Könige von Preußen, Bayern, Sachsen, Han-
nover und Württemberg, der Großherzog von Baden, der Kurfürst von Hessen-
Kassel, der Großherzog von Hessen-Darmstadt, der König von Dänemark als
Herzog von Holstein und Lauenburg, der König der Niederlande als Groß-
herzog von Luxemburg, der Herzog von Braunschweig, die Großherzöge von
Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, der Herzog von Nassau, der
Großherzog von Sachsen-Weimar, die Herzöge von Sachsen-Gotha,-Koburg,
Meiningen und -Altenburg, der Großherzog von Oldenburg, die Herzöge von
Anhalt, die Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen und -Rudolstadt, Hohen-
zollern, Liechtenstein, die Fürsten von Reuß, Schaumburg, der Landgraf von
Hessen-Homburg, sowie die vier freien Städte: Frankfurt a. M., Lübeck, Hamburg
und Bremen. Der Umfang dieses Staatenbundes betrug etwa 12000 Quadrat-
meilen, die Zahl seiner Bewohner etwa 30 Millionen, jedoch ungerechnet die
Unterthanen der Länder und Provinzen des Kaisers von Osterreich und des
Königs von Preußen, welche diesen Monarchen außerhalb des deutschen Staaten-
bundes gehörten und die sich auch auf 20 Millionen belaufen mochten.
Durch die Bundesurkunde wurde etwa folgendes bestimmt: Der Zweck
des Bundes sollte die Erhaltung der Sicherheit Deutschlands, der Unabhängig-
keit und Unverletzlichkeit seiner Staaten bezwecken. Die Leitung der gemein-
schaftlichen Angelegenheiten sollte von Frankfurt a. M. aus durch den
Bundestag erfolgen, zu welchem die größeren Staaten besondere, die kleineren
gemeinschaftliche Abgeordnete sandten, die unter Osterreichs Vorsitz berieten und
Beschlüsse faßten. Die Bundesglieder waren in streitigen Fällen verpflichtet,
ihre Angelegenheiten bei der Bundesversammlung anzubringen und deren
Entscheidung abzuwarten. Gegen auswärtige Feinde sollten alle für einen,
einer für alle stehen.
Zu diesem Zwecke wurde ein Bundesheer unterhalten, welches in Friedens-
zeiten etwas mehr als 300000, in Kriegszeiten 450 000 Mann stark sein
sollte. Dieses deutsche Heer bestand aus zehn Armeekorps. Das I., II.
und III. stellte der Kaiser von Osterreich; das IV., V., und VI. der König