Preußens Politik vor dem dänischen Kriege. 149
Minister von Beust und wendeten — vergeblich — ihre ganze Beredsamkeit
auf, um den König Wilhelm zu gewinnen.
Auch ein gemeinschaftliches Schreiben der deutschen Fürsten, das darauf
dem König Wilhelm übermittelt ward, führte nicht zu einer Wandlung zu
gunsten des österreichischen Planes. Die Übersendung des Reformentwurfes
beantwortete der Monarch auf Grund eines Gutachtens seines Staatsministe-
riums. In dem Schriftstücke vom 15. September wurde der Entwurf einer
scharfen Beurteilung unterworfen und eine Fortsetzung etwaiger Verhand-
lungen an nachstehende Forderungen geknüpft: Verwerfungsrecht (veto)
Preußens und Osterreichs mindestens gegen Kriegserklärungen, durch welche
das Bundesgebiet nicht bedroht sei; Gleichstellung Preußens mit Osterreich in
Hinsicht des Vorsitzes und der Leitung des Bundes; eine aus unmittelbaren
oder direkten Wahlen nach Maßgabe der Bevölkerung der einzelnen Bundes-
staaten hervorgegangene Volksvertretung mit zureichenden Befugnissen. Be-
sonders betont wurde, daß nur eine solche Vertretung Preußen, dessen Inter-
essen wesentlich und unzertrennlich mit denen des deutschen Volkes verbunden
seien, die Sicherheit gewähre, daß es nichts opfere, was nicht auch dem ge-
samten Deutschland zu gute komme. Diese Vorbedingungen fand man in Wien
unannehmbar.
Damit endigte der Rausch, welcher in Frankfurt a. M. und selbst in
andern Teilen Süddeutschlands erzeugt worden war. Den eigentlichen Kern-
punkt der Sache erkannten aber sehr wohl die Abgeordneten verschiedener
deutscher Ständekammern, welche unter sich eine Versammlung anberaumt
hatten, als sie die Erklärung abgaben: „Bei dem beabsichtigten, von der öster-
reichischen Regierung vorgelegten Reformplan handle es sich mehr um den
Schein der Einheit und der Vertretung, als um das Wesen.“
Natürlich gestalteten sich infolge des Scheiterns der kaiserlichen Reform-
pläne die Beziehungen Osterreichs zu Preußen nicht freundlicher. Dagegen
begünstigte ein neuer Aufstand der Polen im Januar 1863, der anfänglich
den Russen große Sorgen verursachte, die Anknüpfung engerer Beziehungen
Preußens zum Zarenreich. Aber gerade dieser Umstand und die damit ver-
bundenen Vorgänge steigerten die Aufregung im Innern und außerhalb
Preußens.
Preußischerseits war bei Ausbruch des Aufstandes in Russisch-Polen
sofort die Zusammenziehung der vier östlichen Armeekorps verfügt worden;
preußische Offiziere begaben sich nach Warschau und Petersburg behufs Ab-
machungen zum Schutze der nachbarlichen Grenzen, und ein Vertrag vom
8. Februar regelte diese Beziehungen. Wiewohl auch diesmal wie im Krim-
kriege Preußen sich irgend welcher Kundgebungen zu gunsten Rußlands enthielt
und dem Nachbar gegenüber nur eine wohlwollende Neutralität bewahrte, so
riefen die Maßnahmen der Regierung und das Verhalten der Rußland günstig
gesinnten preußischen Generale und Offiziere sowie der Grenzbehörden das
Mißtrauen der andern Großmächte hervor. Auch die alten Gegner innerhalb
und außerhalb des Abgeordnetenhauses benutzten diese Umstände, um der
Regierung Vorhaltungen zu machen, weil bei etwaigen Grenzüberschreitungen