156 Der Deutsch-bänische Krieg.
Unternehmen vom Bundestage eingeleitet war, so war vorauszusehen, daß
andre Mächte Einspruch, erst mit Worten, dann wohl auch durch Thaten
erheben, und daß die dann eintretenden Schwierigkeiten Preußen, schon um
seine verpfändete Ehre zu lösen, zwingen würden, mit ganzer Macht auf= und
einzutreten und vielleicht große, sehr große Opfer zu bringen, um schließlich
vom Bundestage angewiesen zu werden, das Schwert wieder in die Scheide
zu stecken und nach Hause zu gehen! Was war dann das Ende vom Liede?
Preußen hatte dann selbst den Heerschild eines neuen Gegners im Norden
aufrichten helfen.
Dazu kam noch, daß Preußen und Österreich, weil sie das Londoner
Protokoll unterzeichnet, in der That auch die Verpflichtung hatten, dasselbe
zu achten, solange es von den übrigen Unterzeichnern respektiert wurde, woran
sich selbstverständlich auch ihre Berechtigung schloß, Verletzungen des Londoner
Protokolls zu ahnden. Solche Verletzungen aber lagen vor, und daher beschloß
Herr von Bismarck, den Versuch zu machen, Osterreich zu gemeinsamem Vor-
gehen mit Preußen gegen Dänemark zu bestimmen.
Kaum gedacht, so war es auch schon geschehen! Osterreich ward zu der
Erklärung veranlaßt, man sei bereit, in Verbindung mit Preußen und unter
Hintansetzung des Bundes die Sache Schleswig-Holsteins zur Entscheidung zu
bringen. Es mag wohl zutreffen, wenn man meint, Bismarcks entschlossenes
Vorgehen habe Osterreich mit fortgerissen; auch mag es nicht ganz unrichtig.
sein, wenn die österreichischen Staatsmänner glauben ließen, man habe mit ein-
schreiten müssen, schon um Preußen überwachen und zügeln zu können. Freilich
ging man auch auf der andern Seite vielleicht nicht fehl, wenn der oder jener
kluge Wiener rief: „Der Bismarck führt uns halt am Bandl!“ In Wirklichkeit
hatte die Klugheit Bismarcks der des Grafen Rechberg, des Nacheiferers des
thatkräftigen Fürsten Schwarzenberg, in Sachen der Herzogtümer den Rang
abgelaufen. Während dieser sich einbildete, er thue mit, um Preußen bei seinem
fest beschlossenen Einschreiten im Norden zu überwachen und dabei für die
eignen Interessen zu wirken, hatte Osterreich schließlich nur zu gunsten und
zum Vorteil seines alten Rivalen das Schwert gezogen!
Wohl hätte Preußen auch auf eigne Faust reine Wirtschaft machen können;
dann aber hätte es wohl in Betracht zu ziehende feindliche oder mißgünstige
Kräfte gegen sich entfesselt, die sich jetzt, als man die deutschen Großstaaten
vereint auf dem Kampfplatze erscheinen sah, der Mäßigung befleißigten.
Die beiden Großmächte erklärten am Bunde: sie würden von Dänemark
auf Grund des Londoner Protokolls die Zurücknahme der Novemberverfassung
verlangen, und, falls Dänemark die Ausführung verweigere, sich ein Pfand für
Erfüllung ihrer Forderungen verschaffen, ja nötigenfalls in ihrer Eigenschaft
als Großmächte gegen Dänemark einschreiten. Außerdem forderten sie den Bund
auf, den Herzog Friedrich VIII., den die beiden Großmächte vorerst nur als
Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Augustenburg anerkannten, aus Schleswig
zurückzurufen, da zuvörderst sein Erbrecht bezüglich der Herzogtümer noch in
nähere Erwägung zu ziehen sei.