Die Wiener Schlußakte. 9
der Staatsgefährlichkeit der Bewegung überzeugt, und so trat denn behufs Be-
ratung gemeinsamer Unterdrückungsmaßnahmen gegen dieselbe am 6. August
zu Karlsbad in Böhmen ein Ministerkongreß zusammen, zu welchem die
beiden deutschen Großstaaten und acht kleinere Bundesländer ihre Vertreter
sandten. Infolge der hier getroffenen Verabredungen ward eine strenge Zensur,
d. h. eine Beschränkung der Preßfreiheit angeordnet, so daß nichts ohne die vor-
gängige Genehmigung der Regierung gedruckt oder veröffentlicht werden durfte,
ferner wurde eine Zentraluntersuchungskommission zur Verfolgung und Auf-
spürung „demagogischer oder staatsgefährlicher Umtriebe“ eingesetzt; Leben und
Treiben der Studierenden, ja der Professoren, wurde noch argwöhnischer als
zuvor überwacht, das Verbindungswesen an den Hochschulen teils beschränkt,
teils gänzlich untersagt. Bald zeigten sich die Diener noch eifriger als die
Herren, und die Streber unter den Aufsichtsbeamten glaubten ihr Amt schlecht
zu versehen, wenn sie nicht eine gehörige Anzahl Demagogen herauswitterten.
Mancher wackere Jüngling büßte jetzt für ein allzu kühnes und allzu freies
Wort hinter Festungsmauern; manche patriotisch gesinnten Männer mußten
fliehen und wurden dem erwählten Berufe entrissen, oder sie aßen während
eines guten Teiles ihres Lebens das bittere Brot der Verbannung. Die Frei-
heit der Rede wurde überall in Deutschland beschränkt, der Rest von Preß-
freiheit auch da unterdrückt, wo man sie bisher noch geduldet hatte; nur im
badischen Lande durften die gesetzlichen Vertreter des Volkes es allenfalls noch
wagen, im Ständehause ein freies Wort zu sprechen.
Die Wiener Schlußakte. Die bei der Gründung des Deutschen Bundes in
Aussicht gestellte Ergänzung der Bundesverfassung erfolgte am 20. November 1820
in Wien. Sie bestätigte die Karlsbader Beschlüsse durch die Wiener „Schlußakte"“,
welche die Frankfurter Bundesversammlung in allen inneren und äußeren
Fragen mit der obersten Gewalt ausrüstete. Die Bestimmungen der Schlußakte
waren im Geiste der Bundesverfassung gehalten, aber sie brachten keine Besse-
rung der Zustände. Preußen, das sich auch nach dem Kriege eine Zeitlang noch
eine gewisse Selbständigkeit Osterreich gegenüber gewahrt hatte, schloß sich der
Rückschrittspolitik Metternichs immer inniger und williger an, und beide zu-
sammen hielten die freien Regungen, die hier und dort in den Kleinstaaten
auftauchten, gewaltsam nieder. In den süddeutschen Staaten suchte man im
freiheitlichen Sinne zu retten, was zu retten war; vergebens war jedoch alles
Widerstreben. Auch Württemberg mußte sich endlich, von Bayern und Baden
verlassen, fügen, und der Bundestag blieb fortan ein Werkzeug der Staats-
kanzlei in Wien.
#ie Lewegungsjahre. Die schlimmsten Zeiten für die Freunde der Frei-
heit aber sollten noch kommen, als in Italien und Spanien Unruhen ausbrachen;
als es den Griechen gelang, das Joch der Türkenherrschaft abzuschütteln; als die
Franzosen ihren unbeliebten König Karl X., den letzten Bourbon auf dem Throne
Frankreichs, nach kurzer Regierung verjagten; als die Belgier, unzufrieden mit
der Regierung des Königs von Holland, gegen die Vergewaltigung ihrer Volks-
rechte sich gleichfalls mit den Waffen in der Hand erhoben; als die Polen ver-
suchten, sich ihre frühere Selbständigkeit in blutigem Aufstande zu erkämpfen.