Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

18 Zustände in Deutschland, Preußen und Österreich. 
besaßen damals noch Kraft genug, um Widerstand zu leisten. Bald marschierten 
Truppen nach den durchwühlten unzufriedenen Bezirken aus. 
Mittlerweile waren Aufstände und Tumulte im Südwesten ausgebrochen, 
so in Mannheim, Freiburg, Offenburg, Konstanz, Stockach, Donaueschingen u. s. w. 
Während die Bayern in Konstanz, die Württemberger in Donaueschingen die 
Ruhe wiederherstellten, marschierte General Friedrich von Gagern, der erst 
kurz vorher den niederländischen Dienst verlassen hatte, um dem Vaterlande 
seinen Arm zu weihen, an der Spitze eines aus Badenern und Hessen be- 
stehenden Korps gegen die Banden, welche sich unter Heckers Leitung im Ober- 
lande gebildet hatten. 
Bei Kandern 1848 kam es am 20. April zu einem Zusammenstoß. In dem 
Augenllick, da der treffliche Gagern sich noch alle erdenkliche Mühe gab, Blut- 
vergießen zu vermeiden, machte eine verräterische Kugel seinem Leben ein Ende. 
Von Versöhnung konnte hiernach zunächst nicht mehr die Rede sein. Die Frei- 
scharen unter Hecker wurden bei Kandern, die unter Georg Herwegh zu- 
sammengeströmten Arbeitermassen bei Dossenbach vom württembergischen General 
von Miller auseinander gesprengt. 
Unter den am meisten genaunten Männern, auf deren Worte und Thun 
während jener denkwürdigen Tage die Aufmerksamkeit ganz Deutschlands ge- 
richtet war, standen obenan ihrer zwei: — auf der einen Seite der heißblütige 
Mann des Volkes im südwestlichen Deutschland, auf der andern ein be- 
sonnener, aber durch die Macht seiner Persönlichkeit und seiner Rede nicht 
weniger einflußreicher Vorkämpfer für die politische Neugestaltung Deutsch- 
lands. Sie beide haben dasselbe eigentümliche Schicksal erfahren, dem so 
viele Volksmänner und andre Berühmtheiten unterliegen — sie starben ver- 
gessen von denen, die dereinst zu ihrer Vergötterung am meisten beige- 
tragen hatten. 
Der eine, Friedrich Hecker, gehörte zu den meistgefeierten Volksmännern 
jener Zeit. Er war die Seele der damaligen aufständischen Bewegung im 
Westen Deutschlands. Geboren im Jahre 1811 zu Eichtersheim im Badischen, 
hatte Hecker das Rechtsstudium erwählt und sich 1838 als Obergerichtsadvokat 
in Mannheim niedergelassen. 1842 in die badische Zweite Kammer gewählt, 
that er sich in derselben bald durch heftige Bekämpfung des Ministeriums 
Blittersdorf hervor; nicht minder entschieden erhob er 1845 zuerst in der 
badischen Kammer seine Stimme gegen die beabsichtigte Vergewaltigung 
Schleswig-Holsteins durch Dänemark, und weit über die Grenzen seiner engeren 
Heimat wurde er bekannt, als er, argwöhnisch von den Augen der Polizei 
verfolgt, 1845 auf einer Reise nach Stettin gleich seinem Freunde Itzstein 
aus dem preußischen Staate ausgewiesen wurde. Verdrossen über den Gang 
der öffentlichen Angelegenheiten, legte er sein Mandat als Volksvertreter 
nieder und beteiligte sich mit seinem Gesinnungsgenossen Struve an der 
Offenburger Versammlung, wo ein regierungsfeindliches Programm entworfen 
wurde. Nach den Februarereignissen in Frankreich trat Hecker an die Spitze 
der südwestdeutschen Republikaner und stellte im deutschen Vorparlament den 
Antrag, dasselbe möge seine Unauflösbarkeit aussprechen. Als der Antrag
	        
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