20 Zustände in Deutschland, Preußen und Österreich.
maligen Volksmann schier gänzlich vergessen hatte. Sehr verschieden wegen
seiner überspannten politischen Anschauungen beurteilt, jedoch wegen seiner
Rechtschaffenheit und Unbestechlichkeit hüben wie drüben jenseit des Ozeans
allgemein geachtet, starb Friedrich Hecker Anfang 1881 auf seiner amerika-
nischen Farm.
Das „Heckerlied“ war Anno 1848 und 1849 der eigentliche Revolutions-
gesang. Der harmlose Unsinn des Liedes, das damals von allen Bierbänken
erscholl, hat heute für uns etwas Komisches; der erste Vers lautete: „Hecker
hoch, dein Name schalle an dem ganzen deutschen Rhein, deine Trene und dein
Auge flößt uns all Vertrauen ein. Hecker, der als deutscher Mann für die
Freiheit sterben kann.“ Das Lied wurde in der choralartig getragenen Melodie
von „Schleswig-Holstein meerumschlungen“ gesungen und dadurch nach der
damaligen Empfindungsweise sein Eindruck auf die Volksmassen noch gesteigert.
Ein Heidelberger Landsmann von Hecker verspottete den Hecker-Enthusiasmus
in bekannten Spottversen, die also begannen: „Seht, da steht der große Hecker,
eine Feder auf dem Hut, seht, da steht der Volkserwecker, dürstend nach Tyrannen=
blut; Wasserstiefel, dicke Sohlen, Säbel trägt er und Pistolen, um zum
Peter saget er, Peter, sei du Statthalter.“ (Dieser Peter war unter seinen
Gesinnungsgenossen vorübergehend zu einigem Ansehen gelangt.)
Noch lange nach Wiederherstellung geordneter Zustände machten sich un-
zufriedene Gemüter in Baden gelegentlich mit Hochrufen auf Hecker Luft. Die
Gendarmerie war freilich alsbald hinter solchen Ubelthätern eifrig her. So
erzählte man s. Z., ein Spaziergänger sei in den Teich des Karlsruher Schlos=
gartens gefallen und habe vergeblich um Hilfe gerufen. Do seien zwei Gen-
darmen vorüberspaziert, die sich aber die neuen Uniformen nicht verderben
wollten und daher unthätig den Rettungsversuchen des Ertrinkenden zuschauten.
In seiner Todesangst habe nun der Gefährdete den verpönten Ruf ausgestoßen:
„Hecker soll leben!“ und dieses Mittel habe sofort gewirkt. Ohne alles Be-
sinnen seien die Gendarmen in den Teich gesprungen und hätten den Übel-
thäter aufs Trockne und dann auf die Wache gebracht. Die auch jetzt noch
vielfach von Herren getragenen großen weichen Filzhüte sollen zuerst durch
Hecker in die Mode gebracht worden sein und wurden deshalb lange Zeit —
und hier und da, namentlich in Süddeutschland, wohl auch heute noch — Hecker-
hüte genannt.
Die andre volkstümliche Größe jener Zeit, Freiherr Heinrich Wilhelm
August von Gagern, ein jüngerer Bruder des oben erwähnten Generals
Friedrich von Gagern, hatte am 20. August 1799 zu Baireuth das Licht der
Welt erblickt. Er focht als Jüngling tapfer bei Waterloo, studierte in Heidel-
berg, Göttingen und Jena die Rechte und beteiligte sich während seiner Univer-
sitätszeit eifrig an den patriotischen Bestrebungen der Burschenschaften. Seit 1820
in großherzoglich hessischem Staatsdienste, rückte Gagern in demselben zum
Regierungsrat auf, wurde aber 1833 wegen der freisinnigen Haltung, die er
als Mitglied der Zweiten Kammer einnahm, entlassen. Er beschränkte nun
seine öffentliche Thätigkeit auf die Beteiligung an den Kammerverhandlungen
und gelangte durch seine entschlossene und eindrucksvolle Bekämpfung der