316 Der Feldzug der Mainarmee.
Krieger, welche in Böhmen gegeneinander fochten, zum größten Teil nicht eines
Stammes, da nur auf preußischer Seite meist Deutsche, auf österreichischer
dagegen vorwiegend Slaven und Ungarn kämpften. Die Krieger, welche die
Waffen in Böhmen gegeneinander führten, waren auf Osterreichs Seite nur
zum kleinsten Teil Deutsche. Auf dem andern Kriegsschauplatz im Westen
Deutschlands dagegen, wo die Truppen des VII. und VIII. Bundeskorps nebst
denen von Hannover, Kurhessen und Nassau zu Preußens Vernichtung auf—
geboten waren, standen, mit Ausnahme einer Anzahl Ungarn und Italiener
in der österreichischen Hilfsdivision, nur Deutsche gegen Deutsche — hier war
also das Wort Bruderkrieg eher gerechtfertigt.
Die Befehlshaber der beiden Armeen. Den wahrscheinlichen gemeinsamen
Operationsplan der Gegner Preußens haben wir weiter vorn schon angedeutet.
Bei der Ordnung des Oberbefehls über die verbündeten Streitkräfte der
Mittel- und Kleinstaaten hatte auch wieder die leidige Bundesverfassung ihre
Rolle gespielt. Das VIII. Bundeskorps mit den kleineren Kontingenten
kommandierte Prinz Alexander von Hessen, der Bruder des Großherzogs
Ludwig III. von Hessen-Darmstadt und der Kaiserin von Rußland, der in
jüngeren Jahren zu St. Petersburg in der Chevaliergarde gedient hatte, später
jedoch in österreichische Dienste getreten war und sich im italienischen Kriege
vielfach ausgezeichnet hatte. Er war dem Kommandierenden der bayrischen
Armee, dem Prinzen Karl von Bayern, untergeordnet, dem Oberbefehls-
haber über sämtliche Bundestruppen, der seinerseits aber wieder von dem
Generalissimus der österreichischen Nordarmee, von Benedek, abhing.
General Vogel von Falckenstein befehligte die preußischen Streitkräfte.
Er ist uns schon vom dänischen Kriege her als einer der fähigsten und ent-
schlossensten Heerführer der Armee bekannt.
Als Gymnasiast in Breslau bei seiner Anmeldung zum Eintritt als frei-
williger Jäger im Februar 1813 zurückgewiesen, weil er noch nicht siebzehn
Jahre alt war, ging er mit einem Schulgenossen heimlich nach Liegnitz, wo
man ihn nicht kannte und in die Reihen der Vaterlandsstreiter eintreten ließ.
Bald rückte er zum Offizier auf und kam in das Leibgrenadierbataillon. Er
war sehr jugendlichen Aussehens, und Blücher redete ihn deshalb noch ein
Jahr später beim Rheinübergange an: „Sie armer Junge können mir auch
leid thun!“ Falckenstein antwortete: „Halten zu Gnaden, Exzellenz, ein preu-
Pßischer Leutnant ist kein Junge; ich muß Sie bitten, das zurückzunehmen."“
Der Marschall Vorwärts lachte in seiner drolligen Weise und nahm den
„Jungen“ unverzüglich zurück, erbot sich aber, wenn der Hitzkopf damit nicht
zufrieden sei, ihm auch sonst zu Gebote zu stehen. Nach dem Kriege durchlief
Falckenstein seine Laufbahn in verschiedenen ausgezeichneten Stellungen; in
beiden dänischen Kriegen gehörte er zu Wrangels Generalstab, beim zweiten
im Jahre 1864 als Chef desselben. Noch während dieses Krieges wurde er
kommandierender General des III. und nach dem Frieden des VII. Armeekorps
in Westfalen.
Grau war freilich der Vogel von Falckenstein schon — allein er besaß
noch gewaltige Flug= und Schwungkraft, und seine Fänge waren, wie die