Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

22 Zustände in Deutschland, Preußen und Österreich. 
seiner politischen Ansichten als Anhänger der „großdeutschen Partei“, wieder 
hervorzutreten. Gagern starb am 22. Mai 1880, gleich seinem Gegenfüßler 
Hecker verstimmt und von den Zeitgenossen fast ganz vergessen. Für Leute von 
weniger gediegenem Wesen blühte in dem Bewegungsjahre 1848 ein besserer 
Weizen. Vielfach gelang es gerade Männern von mittelmäßiger Begabung, 
die Oberhand zu erlangen und, wenn auch nur vorübergehend, einen maßgeben- 
den Einfluß auf die Zeitgenossen und auf die Gestaltung der Zeitgeschichte 
auszuüben. 
Auch in Deutschland wimmelte es damals in Nord und Süd von Volks- 
beglückern und solchen, die es werden wollten. Was Hecker und Struve dem 
Volke im westlichen Deutschland galten, das war der vielbewunderte Volks- 
redner Robert Blum den Freisinnigen des Sachsenlandes. Zu thätlichem 
Widerstande gegen die Staatsgewalt ließen sich freilich im gemütlichen Sachsen 
selbst die erregten Massen des niederen Volkes nicht so schnell hinreißen. Anders 
im heißblütigen Süden und Westen Deutschlands, wo es bald von neuem kunter- 
bunt herging. Die Unruhen im Odenwald, am Main, an der Tauber, welche 
ohnehin die Bedeutung des badischen Aufstandes nicht erlangten, wurden aller- 
dings rasch unterdrückt; indes blieb noch Zündstoff in Menge unter den auf- 
geregten Volksmassen, die von den Revolutionshelden jener tollen Zeit leicht 
bis zum bewaffneten Widerstand aufgehetzt werden konnten. Das Jahr 1847 
war infolge allgemeiner Mißernte ein Teuerungsjahr gewesen wie wenige zu- 
vor, und die monatelang ertragene bittere Not war auf die allgemeine Stim- 
mung des ärmeren Volkes nicht ohne nachteiligen Einfluß geblieben. 
Zu den inneren Wirren in Deutschland traten die immer bedenklicher sich 
gestaltenden Verwickelungen im Norden unfres Vaterlandes. Infolge der schwäch- 
lichen Haltung des deutschen Bundestages hatte die Begehrlichkeit Dänemarks, 
das ohne den Besitz der deutschen Elbherzogtümer nicht meinte bestehen zu 
können, sich mehr und mehr gesteigert. Die in dem erwähnten „offenen Briefe“ 
König Christians VIII. enthaltene Kundgebung mußte endlich die längst herr- 
schende Aufregung bis zum Bruche zwischen der Regierung zu Kopenhagen und 
der deutschen Zentralgewalt führen. 
Teils um weiteres schmerzliches Blutvergießen im Kampfe der bewaffneten 
Truppenmacht gegen die eignen Landeskinder zu verhüten, teils in offener An- 
erkennung des berechtigten Kerns der hochflutenden inneren Bewegung hatten 
alle deutschen Fürsten sich entschlossen, dieser Bewegung mehr oder weniger 
weitgehende Zugeständnisse zu machen. Selbst der Bundestag, der bei seiner 
Bedeutungslosigkeit und bei dem Mangel jedes Rückhalts im Volke überhaupt 
nicht mehr viel zu verlieren hatte, suchte jetzt durch teilweises Entgegenkommen 
sein Scheinleben noch einige Zeit weiter zu fristen. Um die immer weiter um 
sich greisende Bewegung wenigstens einigermaßen in der Hand zu behalten, 
hatte die Bundesversammlung die Entbietung von Abgeordneten des Volkes 
aus allen Gauen Deutschlands nach Frankfurt a. M. zur Beratung einer 
Reichsverfassung genehmigt. 
Die geistigen Größen Deutschlands, die Aristokratie des Wissens und der 
Geburt, die hervorragendsten Vertreter des Staats= und Gemeinde-Beamten-
	        
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