Aufstand in Baden. 65
Ende mit Schrecken nehmen. Abenteurer aus Frankreich, Ungarn und Polen
waren nach dem südwestlichen Deutschland geströmt, und die schnell erregbare,
leicht empfängliche wehrhafte jüngere Welt von 18 bis 30 Jahren wurde durch
ein allgemeines Aufgebot zu den Waffen gerufen; aber nur ein kleiner Teil
beeilte sich, dem Rufe zur „Rettung des Vaterlandes“ nachzukommen. Eilends
wurden die Zeughäuser entleert und „Kriegs= und Zivilkommissare“ mit Voll-
machten ausgerüstet. Das hessische Militär ließ sich jedoch nicht ködern, und
deswegen konnte auch dort nicht wie im badischen ein ehemaliger Leutnant
Sigel urplötzlich zum General emporsteigen. Das Avancement in der badi-
schen aufständischen Armee war in letzter Zeit überhaupt recht schnell von statten
gegangen. Mancher, der noch vor kurzem Korporal gewesen, sah sich plötzlich
als Hauptmann an der Spitze einer Kompanie „cfreier deutscher Männer“.
Die hessischen „Fürstenknechte“ — so nannte man damals alle Soldaten,
die ihren Schwur der Treue hielten — trieben zwar am 30. Mai die nach der
Bergstraße vorgedrungenen Freischaren von Heppenheim bis Heidelberg zurück.
Aber auf die Dauer wären sie der Ubermacht der Aufständischen doch nicht
gewachsen gewesen. In ihrer Bedrängnis wandten sich deshalb der Großherzog
von Baden und die Regierungen der vom Umsturz zunächst bedrohten Nachbar-
lande an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und baten um Hilfe.
Preußischerseits wurde als Gegenleistung die Zusage verlangt, daß nach Wieder-
herstellung der Ordnung nicht Ministerien eingesetzt würden, welche der Re-
gierung Preußens feindlich gesinnt seien. Nachdem dies versprochen worden
war, erteilte König Friedrich Wilhelm IV. die Zusicherung seines Beistandes.
Am 8. Juni ernannte der König seinen Bruder Wilhelm, den Prinzen
von Preußen, zum Oberbefehlshaber der zur Niederwerfung des Aufstandes
nach Baden und der Pfalz zu entsendenden preußischen Truppen. Der Prinz,
begleitet von seinem Neffen, dem jungen Prinzen Friedrich Karl, begab sich
nach Mainz, woselbst am 12. in Beratung mit General Graf von der
Gröben und General von Peucker, welch letzterer die Reichstruppen be-
fehligen sollte, der Feldzugsplan festgestellt wurde. Das Heer, welches bestimmt
war, der Gesetzesverachtung ein Ende zu machen, war schnell zusammengezogen,
und bereits am 11. Juni konnte die Aufstellung des I. Armeekorps der Rhein-
armee unter General von Hirschfeld an drei Punkten der Grenze nach der
Pfalz hin, zwischen Kreuznach und Saarbrücken, gemeldet werden. An den
nächsten Tagen, am 12. und 13., erfolgte der Vormarsch in vier Kolonnen,
von denen die des linken Flügels die Reichsfestungen Landau und Germersheim
sichern sollte, um dann gegen Kaiserslautern, den Sitz der Pfälzer provi-
sorischen Regierung, vorzugehen.
Die zusammengezogenen Reichstruppen aber hatten sich inzwischen mit der
preußischen Abteilung vereinigt und General von Peucker übernahm sogleich
den Befehl über das also zusammengesetzte, den linken Flügel der Operations-
armee bildende sogenannte Neckarkorps. Er konnte jedoch anfänglich, da die
Aufständischen ihm mit Ubermacht entgegentraten, nur langsam in der Berg-
straße vordringen.
Vaterl. Ehrenbuch. II. 5