Full text: Fünfzig Jahre aus Preußens und Deutschlands Geschichte.

Das Dreikönigsbündnis. 85 
Das „Dreikönigsbündnis“ und das Interim. Mit innerem Verdruß sah 
Osterreich, welches zu derselben Zeit alle Hände voll zu thun hatte, die nationale 
Erhebung in Ungarn zu unterdrücken, wie Preußen siegreich seine Adler durch 
die im Aufstand befindlichen deutschen Lande trug und nun auch festeren Fuß in 
Süddeutschland faßte. Die deutsche Kaiserkrone hatte der König von Preußen 
allerdings ausgeschlagen — es war eine andre Frage, ob er sie ausgeschlagen 
hätte, wäre sie ihm von den deutschen Fürsten angeboten worden. 
Man suchte auch in Berlin nach Lösung der deutschen Einigungsfrage, aber 
man glaubte die Einigung hier auf einem andern Wege zustandebringen zu 
können. Am 28. Mai 1850 ward auf Betreiben des Generals von Radowitz, 
des damaligen Vertrauten König Friedrich Wilhelms IV., das „Dreikönigs- 
bündnis“ zwischen Preußen, Hannover und Sachsen abgeschlossen und durch Ver- 
einbarung zwischen den Regierungshäuptern dieser drei Staaten Preußen die 
Oberleitung der militärischen und politischen Angelegenheiten zugestanden. Dieser 
Vorgang wies deutlich darauf hin, daß man in Berlin nicht mehr gewillt sei, 
den alten Schlendrian fortdauern zu lassen, oder ihn von neuem beginnen zu 
sehen, oder gar in einem neu ausgewärmten Bundestage von etwas „zeit- 
gemäßerem“ Anstrich sich von neuem Osterreich unterzuordnen. Da sich aber 
Osterreich, Bayern, Württemberg u. s. w. von den Beratungen der neuen engeren 
Bundesgenossenschaft der norddeutschen Königreiche fern hielten, ja ihre feind- 
selige Gesinnung gegen dieselbe nicht verhehlten, so war ein längeres Bestehen 
des „Dreikönigsbündnisses“ von vornherein in Frage gestellt. Auch zeigte sich 
die von demselben verfolgte Unionspolitik schon nach wenigen schwachen Lebens- 
äußerungen gleichfalls als eine verfehlte, wiewohl ihr die in Gotha versammelten 
Mitglieder der Erbkaiserpartei (die sogenannten „Gothaer") Förderung und 
Unterstützung zugewendet hatten. Preußen, gestützt auf die neuen, freilich sehr 
unzuverlässigen Bundesgenossen, machte anfänglich Miene, sich Osterreich gegen- 
über selbständig zu behaupten und dem Wiederaufleben des von Osterreich als 
nächstes Ziel hingestellten Bundestages sich widersetzen zu wollen; ja es schien 
eine Zeitlang, als denke man in Berlin nicht im entferntesten daran, auf der 
betretenen Bahn wieder einzuhalten oder gar umzukehren. Man hoffte, das zu 
Erfurt von Abgeordneten der verbündeten Staaten beschickte Unionsparla- 
ment werde sich zum Kern einer neuen Notabelnversammlung unter Preußens 
Schirm und Schutz gestalten lassen. Das Dreikönigsbündnis erstarkte jedoch 
nicht; ihm fehlte das allgemeine Vertrauen und damit auch die innere Lebens- 
kraft, und so zerfiel es noch rascher, als es zustandegekommen war, indem sich 
der größere Teil der deutschen Klein= und Mittelstaaten immer mehr von Preußen 
ab= und Osterreich zuwandte. Um nicht durch Preußens deutsche Politik aus 
Deutschland verdrängt zu werden, bestand jetzt Osterreich auf der Errichtung 
einer gemeinschaftlichen „Zentralgewalt“ für ganz Deutschland, und auf Grund 
des beschlossenen sogenannten „Interim“ sollten Osterreich und Preußen einst- 
weilen gemeinsam die Leitung der deutschen Angelegenheiten wahrnehmen. In 
die Hände der Interimskommissare legte Erzherzog Johann am 20. Dezember 
1849 sein Reichsverweseramt nieder. **- · 
Unterdessen war von dem Unionsparlament zu Erfurt die für den Drei-
	        
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