Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

4 Einleitung. 
haben die Befugnisse des territorialen Fürstenthums an sich nur eine 
secundäre Bedeutung. 
Ebenso wenig läßt sich Preußen in Beziehung auf die geogra- 
phische Lage mit den anderen großen Mächten vergleichen. Hier ist nicht 
von einer insularen Geschlossenheit die Rede, wie bei Großbritannien 
von einer Position auf dem Erdglobus, welche dies Land gleichsam 
von Natur zur Herrschaft über die Meere berief und es zugleich in 
ununterbrochenem Zusammenhange mit dem europäischen Continent 
erhielt. Auch nicht von einer Lage, wie die, welcher Frankreich seine 
Macht verdankt, zwischen dem Ocean und dem Mittelmeer, in der 
Mitte der großen Culturländer romanischer und germanischer Bevöl- 
kerungen, Spanien, Italien, England und Deutschland. Rußland bildet 
eine natürliche Verbindung zwischen Europa und Asien, aus welcher 
ihm wieder eigene Kraft zufließt. Oesterreich hat geographisch eine 
internationale Position über die Alpen hin und durch den Adriatischen 
Meerbusen nach Italien und dem Orient gewendet; es wurde groß, 
indem es den Widerstand des Abendlandes gegen das Vordringen der 
Osmanen in dem Illyrischen Dreieck zum Ziele führte und Ungarn 
von diesen losriß. Wie sehr tritt dagegen Preußen zurück, welches 
nur auf eine Verbindung der beiden deutschen Colonisationen im Osten, 
an Oder und Elbe und jenseit der Weichsel, angewiesen war, die es 
gegen die Ueberfluthungen der östlichen Welt zu retten hatte, und 
auf deren Unabhängigkeit seine territoriale Stellung beruhte. Das 
Charakteristische derselben liegt darin, daß sie eine centrale war und 
immermehr wurde; zwischen Rußland und Frankreich, an die es an- 
grenzt, selbst zwischen England und Oesterreich, von deren Einwirkungen 
auf das deutsche Reich die höchste Gewalt in Preußen unaufhörlich 
berührt wurde. Zu einer politischen Bedeutung würde das aber nicht 
geführt haben ohne eine ungewöhnliche Entwickelung der inneren Hülfs- 
quellen und eine zugleich kräftige und vorsichtige Leitung der aus- 
wärtigen Geschäfte. 
In den Zeiten, in denen wir stehen, war es nun so weit ge- 
kommen, daß die brandenburgisch-preußischen Landschaften ein zusam- 
menhängendes und lebensfähiges Ganze bildeten und als ein Staat 
betrachtet werden konnten. Wie viel aber fehlte noch daran, daß 
ihnen auch die Geltung einer europäischen Macht zugekommen wäre. 
Zwischen Staat und Macht ist vielleicht an sich kein Unterschied: 
denn die Idee des Staates entspringt aus dem Gedanken einer Selb- 
ständigkeit, welche ohne entsprechende Macht nicht behauptet werden 
könnte. Durch die Erwerbung von Pommern war der brandenbur-
	        
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