Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

96 Fünftes Buch. Viertes Copitel. 
Eben daher aber kam es, daß sich zwei entgegengesetzte Ten- 
denzen, die sich um ihn her gebildet, auf der einen und der andern 
Seite, mit verdoppelter Lebhaftigkeit regten. 
Eins der merkwürdigsten Denkmale über den Zustand des preußi- 
schen Hofes bleiben immer die Memoiren der Prinzessin Friederike 
Wilhelmine, so viel Uebertriebenes und Unrichtiges sie auch enthalten. 
Man sieht daraus, daß weder sie selbst noch auch die Königin einen 
Begriff von den Gründen hatte, die den König bedenklich machten, 
sofort eine bejahende Entscheidung zu geben. Sie sahen in ihm einen 
eigensinnigen, gewaltsamen Hausvater, der nur gegen seine Angehö- 
rigen streng ist, und schwach gegen Fremde. Die Gemüther erfüllten 
sich gegenseitig mit Bitterkeit und Widerwillen. Auch der Kronprinz, 
der noch in den Jahren war, wo ein junger Mann wohl von einer 
geistreichen, älteren Schwester Einfluß erfahren kann, ward von dieser 
Stimmung ergriffen; er ließ sich verleiten, um ihre Vermählung zu 
befördern, insgeheim eine förmliche Erklärung auszustellen, daß er 
dermaleinst keiner andern, als einer englischen Prinzessin seine Hand 
geben wolle. 
Aber auch davon hat man doch keinen Begriff, was die andere 
Partei sich erlaubte, um den König festzuhalten. Seckendorf hatte 
den täglichen und vertrautesten Gesellschafter des Königs, General 
Grumbkow, vollkommen auf seine Seite gebracht; Grumbkow, es ist 
kein Zweifel daran, erhielt Geld von Wien 1). Beide unterhielten mit 
dem preußischen Residenten in London, Reichenbach, eine Verbindung, 
die etwas Anstößiges hat. Dieser Reichenbach, der sich einmal des 
Mangels an äußerem Ehrgeiz rühmt, dem es aber auch an innerem 
fehlte, stand nicht allein mit Seckendorf in unmittelbarer Correspon- 
denz, in der er ihn von dem unterrichtete, was in England in Bezug 
auf die Heirath geschah, und ihm wohl sagte, er könne auf ihn so 
gut rechnen, wie auf sich selbst; noch bei weitem schlimmer ist, daß 
er sich von Grumbkow angeben ließ, was er an den König schreiben 
sollte, und dann nach dessen Weisungen seine Depeschen zusammen- 
setzte :2). Es ist kaum begreiflich, daß man diese Briefe nicht vernichtet 
hat: sie haben sich in dem Nachlaß Grumbkow's gefunden. Reichen- 
1) Arneth, Prinz Engen III, 200. 
2) In einem Brief vom 17. März 1730 meldet Reichenbach, qu'il a 
envoyé hier par un courier de 57 (Kinsky) ü Bruxelles et de là par 
Tordinaire à Berlin une telle lettre, à 120 (le roi de Prusse conforme- 
ment aux ordres de Grumbkow et de Seckendorf) et il a employé tout 
ce, qu'il a trouvé dans la dernière lettre de Girumbkow.
	        
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