Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

108 Fünstes Buch. Fünstes Capitel. 
Schon durfte er sich auf eine bessere Gelegenheit Rechnung 
machen. Friedrich Wilhelm beschloß eine Reise nach Oberdeutschland, 
oder wie man noch sagte, in das Reich zu unternehmen, wobei er 
einige Höfe für die damalige Politik des Kaisers im Gegensatz gegen 
die Verbindung mit England, Frankreich und Spanien zu stimmen 
dachte, und alsdann den Rhein abwärts nach Cleve zu gehen; es 
war davon die Rede, daß der Kronprinz ihn begleiten sollte. Da 
diese Reise in die Nähe der westlichen Grenzen führte, so ließ sich 
dabei am leichtesten an ein Entkommen nach dem Ausland denken. 
In dem Vertrauen des Prinzen war damals an die Stelle von 
Kait der Lieutenant von Katte getreten, ein junger Mann von einiger 
Bildung, der auf dem Pädagogium zu Halle studirt hatte, sich mit 
Literatur und Musik beschäftigte; was wir schriftlich von ihm übrig 
haben, zeigt einen gewissen Schwung des Geistes und viel jugendliche 
Redegabe; es mag sein, daß er sich in dem Ansehen gefiel, das ihm 
der vertraute Umgang mit dem Kronprinzen hie und da verschaffte; 
mit den Dingen des Lebens nahm er es überhaupt noch leicht; bei 
seinen Freunden galt er mehr für dreist und unbesonnen, als für 
klug und überlegt. 
Mit diesem Freunde, der eine unendliche Hingebung zeigte, wur- 
den nun mancherlei Pläne geschmiedet. 
Katte sollte sich z. B. auf Werbung ausschicken lassen und seinen 
Weg nach Oberdeutschland nehmen: in einem Wirthshaus bei Can- 
statt, wo die Straße vorüberführt, sollte er der Ankunft der könig- 
lichen Wagen warten; ein Diener, kenntlich an einer rothen Feder, 
sollte das Wahrzeichen abgeben, daß er zugegen sei; unter einem oder 
dem andern Vorwande wollte dann der Prinz absteigen und während 
man ihn in dem Wirthshaus glaube, mit dem Freunde und dessen 
Begleitern auf die bereit gehaltenen Pferde steigen und davonreiten. 
So viele Gefährten sollte Katte zusammenbringen, daß man sich gegen 
einige Leute, durch welche ihnen der König nachsetzen lassen dürfte, 
auch allenfalls vertheidigen könne. So werde man die nicht weit ent- 
fernte französische Grenze erreichen; wahrscheinlich werde im nächsten 
der Krieg zwischen Frankreich und dem Kaiser ausbrechen, daran könne 
man Theil nehmen; wenn man sich dabei hervorthue und von sich 
reden mache, so werde der König seine Meinung schon ändern und 
sie bitten wiederzukommen 1). Der Plan einer auf abenteuerliche 
1) Verhör des Prinzen zu Mittenwalde 2. Sept. Auf Katte's Einwen- 
dungen hat er gesagt: das wäre eine schlechte Sache, die man der Diffieul-
	        
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