Fluchtversuch des Kronprinzen. 109
Unternehmungen begierigen Jugend. Zu den häuslichen Irrungen
gesellte sich in dem Prinzen die Unlust, seine Kräfte im Friedens-
dienst gefesselt zu fühlen, und der Wunsch, die Welt zu sehen, sich
hervorzuthun.
Zuweilen nahm jedoch die Phantasie ihre Richtung mehr nach
England. Im Lager hatte Friedrich eines Tages den Secretär der
englischen Gesandtschaft, Gui Dickens, der eben im Begriff stand nach
London zu reisen, zufällig getroffen und ihn gebeten, sich am eng-
lischen Hofe zu erkundigen, ob man ihn aufnehmen und schützen wolle,
wenn er herüberkomme. Man kann denken, wie begierig der Prinz
nun war, Gui Dickens nach dessen Rückkehr zu sprechen. Den ver-
dachtvollen Zwang, unter dem er lebte, zeigt auch die Art und
Weise, wie er mit demselben zusammenkam, indem eine andere nicht
möglich war; es geschah eines Abends um 10 Uhr, unter dem großen
Portal des königlichen Schlosses. 4
Katte führte den Engländer herbei und ging dann auf und ab,
Wache zu halten und jede Störung zu verhüten. Die Eröffnungen
von Gui Dickens waren aber nicht, wie der Prinz sie wünschte. Er
meldete ihm geradezu, man wolle ihn in England nicht haben;
Georg 11 wolle den Schein nicht auf sich laden, als hätte er den
Prinzen verführt, darüber könnte sonst ein Feuer an allen vier Enden
von Europa aufgehen; man bitte ihn, diesen Gedanken lieber ganz
fallen zu lassen; habe er Schulden, brauche er Geld, so möge er nur
die Summe nennen, und man werde sie ihm verschaffen 1).
Nicht sogleich scheint sich der Prinz von der Unwiderruflichkeit
dieses Bescheides überzeugt zu haben. Er faßte noch einmal den Ge-
danken, seinen Freund Katte nach London zu schicken, um die Sache
besser anzubringen, und hat ihm dafür einst schon eine Art von Be-
glaubigungsschreiben ausgestellt. Bei besserem Nachdenken fand er
jedoch sowohl Katte ungeeignet, als die Sache unausführbar. Und
da es wieder zweifelhaft wurde, ob er den König, der darüber einen
Augenblick geschwankt hat, begleiten solle, so beschloß er endlich bei
sich selbst, wenn dies nicht geschehe, ruhig in Potsdam zu bleiben:
wofern es aber geschehe und der König ihn auf die Reise mitnehme,
täten wegen unterließe: vielmehr würde sie dadurch um so angenehmer, wenn
man sle ausführe. #
1) Vgl. Informatio ex Actis (die sich hauptsächlich auf Katte bezieht)
aus den Sammlungen von König bei Preuß: Lebensgeschichte Friedrichs des
Großen IV, 470, Jugend und Thronbesteigung Friedrichs des Großen 87.