Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Fluchtversuch des Kronprinzen. 109 
Unternehmungen begierigen Jugend. Zu den häuslichen Irrungen 
gesellte sich in dem Prinzen die Unlust, seine Kräfte im Friedens- 
dienst gefesselt zu fühlen, und der Wunsch, die Welt zu sehen, sich 
hervorzuthun. 
Zuweilen nahm jedoch die Phantasie ihre Richtung mehr nach 
England. Im Lager hatte Friedrich eines Tages den Secretär der 
englischen Gesandtschaft, Gui Dickens, der eben im Begriff stand nach 
London zu reisen, zufällig getroffen und ihn gebeten, sich am eng- 
lischen Hofe zu erkundigen, ob man ihn aufnehmen und schützen wolle, 
wenn er herüberkomme. Man kann denken, wie begierig der Prinz 
nun war, Gui Dickens nach dessen Rückkehr zu sprechen. Den ver- 
dachtvollen Zwang, unter dem er lebte, zeigt auch die Art und 
Weise, wie er mit demselben zusammenkam, indem eine andere nicht 
möglich war; es geschah eines Abends um 10 Uhr, unter dem großen 
Portal des königlichen Schlosses. 4 
Katte führte den Engländer herbei und ging dann auf und ab, 
Wache zu halten und jede Störung zu verhüten. Die Eröffnungen 
von Gui Dickens waren aber nicht, wie der Prinz sie wünschte. Er 
meldete ihm geradezu, man wolle ihn in England nicht haben; 
Georg 11 wolle den Schein nicht auf sich laden, als hätte er den 
Prinzen verführt, darüber könnte sonst ein Feuer an allen vier Enden 
von Europa aufgehen; man bitte ihn, diesen Gedanken lieber ganz 
fallen zu lassen; habe er Schulden, brauche er Geld, so möge er nur 
die Summe nennen, und man werde sie ihm verschaffen 1). 
Nicht sogleich scheint sich der Prinz von der Unwiderruflichkeit 
dieses Bescheides überzeugt zu haben. Er faßte noch einmal den Ge- 
danken, seinen Freund Katte nach London zu schicken, um die Sache 
besser anzubringen, und hat ihm dafür einst schon eine Art von Be- 
glaubigungsschreiben ausgestellt. Bei besserem Nachdenken fand er 
jedoch sowohl Katte ungeeignet, als die Sache unausführbar. Und 
da es wieder zweifelhaft wurde, ob er den König, der darüber einen 
Augenblick geschwankt hat, begleiten solle, so beschloß er endlich bei 
sich selbst, wenn dies nicht geschehe, ruhig in Potsdam zu bleiben: 
wofern es aber geschehe und der König ihn auf die Reise mitnehme, 
täten wegen unterließe: vielmehr würde sie dadurch um so angenehmer, wenn 
man sle ausführe. # 
1) Vgl. Informatio ex Actis (die sich hauptsächlich auf Katte bezieht) 
aus den Sammlungen von König bei Preuß: Lebensgeschichte Friedrichs des 
Großen IV, 470, Jugend und Thronbesteigung Friedrichs des Großen 87.
	        
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