Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Aufenthalt Friedrichs in Cüstrin. 123 
Auch sie mußten einen Eid schwören, — bei dessen Ablegung sie er- 
zitterten, — daß sie nur Einen Gott anerkennen wollten, und Einen 
König, Friedrich Wilhelm als ihren Herrn. 
In deren ausschließendem Umgang sollte der Prinz in Cüstrin, 
auf dessen Ringmauern er beschränkt war, noch eine strenge Schule 
durchmachen. 
Des Königs Gedanke war schon immer gewesen, ihn in der 
Verwaltung arbeiten zu lassen: denn ein Fürst, der nichts von Ad- 
ministration und Oeconomie verstehe, gerathe in die Hände der Günst- 
linge und werde verachtet. 
Den Tag nach jener Eidesleistung ward der Prinz in die Kriegs- 
und Domänenkammer in Cüstrin eingeführt. An einem untenan ge- 
stellten Tisch nahm er als Auscultator mit einem der beiden Kammer= 
junker Platz 1). Hier sollte er alle Tage von sieben bis halb zwölf, 
und von drei bis fünf Uhr arbeiten; wir finden die Protocolle der 
Sitzungen von ihm ebenfalls untenan hinter den Räthen unterzeich- 
net; in den spätern Stunden sollten dann der Präsident Münchow, 
oder der Director Hille ihn über die Kammersachen, die er noch nicht 
verstehe, unterrichten. Er sollte keine Briefe schreiben, auch nicht an 
seine Geschwister, nur in bestimmten Zeitabschnitten an König und 
Königin; Musik weder machen noch auch nur hören, Fremde so wenig 
wie möglich sehen, und nie sollte Jemand von Politik mit ihm 
sprechen; nur von Gottes Wort und der Landesverfassung durfte die 
Rede sein. Von allen Büchern der Welt wurden ihm nur drei ge- 
stattet, die deutsche Bibel, das Gesangbuch und Arndts wahres 
Christenthum; habe er noch Zeit übrig, so könne man ihm die alten 
Papiere des Markgrafen von Cüstrin, Bruder Joachims II, eines der 
ersten deutschen Fürsten, welche echten Sinn für Staatshaushaltung 
entwickelt haben, aus dem Archiv vorlegen, die möge er studiren 2). 
Der König verwarf den Vorschlag, den ihm Münchow und Hille 
machten, dem Kronprinzen wenigstens einige Bücher über Finanzen 
Hoheit vorgesetzt, um zu Cüstrin bei ihm zu seyn, und auf ihn Achtung zu 
eben 
1) Das erste Protokoll einer Sitzung in seiner Gegenwart ist vom 
20. Nov. Darin kam eine Beschwerde des Herzogs von Merseburg über ein 
Verbot sächsischer Waaren besonders Tücher in Frankfurt a. d. O. vor. 
2) „Wenn er mehr Lust zu lesen hat, sollen sie ihm aus dem Cüstrinschen 
Archiv die Schriften und Documente der alten Verfassung des Markgrafen 
Hans holen lassen, da er sich mit Lesen dieser nützlichen Sachen divertiren 
kann: wenn er das ganze Archiv ausgelesen, soll Wolden darüber berichten.“
	        
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