Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Aufenthalt Friedrichs in Cüstrin. 125 
ohne Geist, in Gesprächen sowie in Briefen Mühe, die schlimmen 
Consequenzen jener Ansicht zu entwickeln. Da der Prinz diese nicht 
zugeben wollte, so suchte man ihm zu beweisen, daß er dann zu einer 
Auffassung genöthigt werde, bei der Alles eigentlich nur ein Wort- 
streit sei. Hille behauptet, das habe den Prinzen überwunden. Von 
Friedrich selbst wissen wir nur, daß er sagt, er wolle für seine 
Meinung nicht zum Märtyrer werden. 
Der König war höchlich zufrieden, als er von dieser Annäherung 
erfuhr; er ließ sich nun etwas gnädiger vernehmen und schickte Pre- 
digten, um den Prinzen vollends des Irrthums zu überzeugen, worin 
er geschwebt habe. 
Ob dies aber nicht der Weg war, ihm beide Meinungen zu ver- 
leiden? Wenn die eine nicht als folgerecht erschien, und die andere 
zu Folgerungen führte, die anderen unantastbaren Grundsätzen wider- 
sprachen, mußten sie einem forschenden Geiste nicht beide gleichgültig 
werden? 
Zuweilen empfand Friedrich die Unterwürfigkeit, in der man ihn 
hielt, sehr bitter; es fuhr ihm wohl eines Tages durch den Sinn, 
sich hier im Gefängniß nochmals in Widerspruch gegen seinen Vater 
zu setzen und umzukommen mit Ehren. Man überzeugte ihn aber, 
daß auch das Ertragen von Widerwärtigkeiten ihm Ehre mache. 
Darin bestärkten ihn ohne Zweifel die Briefe, die zuweilen 
anonym, mit verstellter Hand geschrieben, an ihn gelangten, wahr- 
scheinlich von seiner älteren Schwester, worin eine feurige Bewun- 
derung seiner Haltung ausgesprochen wurde 1): so viele Selbstbeherr- 
schung lege er an den Tag, er thue nie etwas, als was an der Zeit, 
in allen Dingen sei er vollkommen; er wisse sein großes Herz den 
Geboten der Vernunft zu unterwerfen. 
An und für sich wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, 
den Willen des Königs vollkommen zu vollstrecken. 
Der König konnte anordnen, daß sein Sohn nie einen Fran- 
zosen sehen, kein französisches Buch, keine französische Zeitung lesen 
sollte — von Zeitungen überhaupt nur die Berliner, Hamburger und 
die Intelligenzblätter — aber das erweckte in diesem vielleicht nur 
eine um so stärkere Vorliebe für das Französische. Verse in dieser 
1) Es heißt von ihm: 
Celui ci est parfait en toutes ses actions, 
Maitre de ses passions il sait les Commander, 
Son grand coeur est soumis aux loix de la raison 
II ne fait jamais rien qui ne soit de saison.
	        
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