130 Fünftes Buch. Fünstes Capitel.
als dem gönne er diese reiche Erbin; an seinen Sohn zu denken,
verbot ihm schon die Religion, deren Gegensatz, durch die Natur
beider Staaten und die Sinnesweise beider Familien getragen, ein
unübersteigliches Hinderniß bildete.
Etwas näher ist der König auf einen andern Gedanken ein-
gegangen, der damals aufkam, den Kronprinzen mit der präsumtiven
Erbin von Rußland zu vermählen.
Es war Elisabeth Catharina Christine von Mecklenburg, Enkelin
Iwans, des älteren Bruders Peters I, deren Rechte auch bald darauf
von ihrer Tante, Kaiserin Anna, anerkannt worden sind. Am russischen
Hofe gab es eine Stimme dafür. Der damals in den auswärtigen
Angelegenheiten wirksamste Minister Ostermann hat gesagt, wenn er
dies Meisterstück der Politik vollbringe, so werde er sich auf immer
Ruhe gönnen. Friedrich Wilhelm aber machte Bedingungen, die
nimmermehr zu erlangen waren: Beibehaltung der Religion nicht
allein für den Prinzen 1), sondern auch für alle aus der Ehe ent-
springenden Kinder; und sodann: unmittelbare Eidesleistung der ganzen
russischen Armee an denselben, als dereinstigen Nachfolger. Auch dann
aber wäre noch immer die wichtigste Frage übrig gewesen, in welches
Verhältniß der preußische Staat zu dem russischen Reiche treten würde;
denn eine Vereinigung von beiden hätte ganz Europa in Bewegung
gesetzt. Der Kronprinz, den man einmal gefragt hat, ob er, wenn
die Sache zu Stande komme, geneigt sei, auf die preußische Krone
Verzicht zu leisten, antwortete, er wolle eine so große Thorheit
nicht begehen: wenn er es thäte, so meinte man, er würde es nicht
halten, sondern beim Tode seines Vaters an der Spitze einer rus-
sischen Armee an den Grenzen erscheinen und sein angestammtes Erbe
zurückfordern 2).
Es war überhaupt nicht bestimmt, daß diese mächtig aufwach-
sende geistige Kraft dem einen oder dem andern der benachbarten
1) Nach einem Bericht vom 10. Jan. 1731 wäre man nicht abgeneigt
gewesen, dies zuzugestehen, die Prinzessin jedoch werde übertreten müssen: doch
sei der Erzbischof von Nowgorod, der sie unterrichte, im Herzen gut lutherisch.
— Unter andern Einwürfen erscheint auch der, daß man nicht wisse, ob sich
nicht Kaiserin Anna noch vermählen und ob nicht später die Nation die Prin-
zessin Elisabeth vorziehen würde. —
2) Arneth, Prinz Eugen, Bd. III, S. 335 ff. So ungefähr drückt sich
auch Prinz Eugen aus, der ollen Ernstes Über dies Vorhaben in Aufregung
gerieth: er fürchte einen Umsturz des ganzen Systems, da sich der Prinz leicht
an Frankreich und England anschließen würde.