Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Anwachs und Organisation des Kriegsheeres. 147 
freien Reiselaufen zu der zwangsvollen Subordination dieser auf 
immer eingerichteten, wie ebenso viele Körperschaften zusammen- 
haltenden Regimenter! 
Friedrich Wilhelm hegte nicht den mindesten Zweifel, daß nach 
Gottes Ordnung alle Unterthanen schuldig seien, ihm in einem Heere 
zu dienen, das nur zu ihrem Schutze, „Landen und Leuten“ lediglich 
zum Besten angeordnet sei 1), doch wollte er von einer Nationalmiliz 
nichts hören 2); er verbot den Namen Miliz. Nur eine stehende 
Armee, allezeit bereit, das Gewicht des preußischen Schwertes in die 
Wagschale der europäischen Dinge zu werfen, schien ihm der Rede 
werth. Dadurch allein meinte er eine selbständige europäische Macht 
zu bilden. 
An und für sich konnte ein Verein deutscher Landschaften, die 
sämmtlich kaum drittehalb Millionen Einwohner zählten, und nicht 
einmal in sich zusammenhingen, dem französischen Reiche gegenüber, 
das von den Pyrenäen bis an den Oberrhein, von dem Mittelmeer 
bis an den Ocean reichte, — benachbart dem unermeßlichen Rußland, 
dem unerschöpflichen Oesterreich, zur Seite Englands, dem die See ge- 
horchte, nur wenig bedeuten. Was dem preußischen Staate einen 
gewissen Rang unter ihnen, Ansehen in der Welt verschaffte, war 
allein das Kriegsheer. Man nahm damals an, daß Frankreich eine 
Landmacht von 160,000 Mann, Nußland von 130,000 Mann regel- 
mäßiger Truppen erhalte; hier fehlte aber viel an Erfüllung der 
Listen, dort ward ein großer Theil der Mannschaften durch den Dienst 
in den Garnisonen der zahlreichen Festungen beschäftigt; das öster- 
reichische Heer rechnete man auf 80— 100,000 Mann, jedoch von 
zweifelhafter Streitfähigkeit und zerstreut in allen Provinzen. Was 
Friedrich Wilhelm I für die Stellung Preußens in diesem Wetteifer 
der Streitkraft gethan hat, ermißt man sogleich, wenn man bemerkt, 
daß er die Armee von 38,000 Mann, in welcher Zahl sie etwa mit 
Sardinien, Sachsen-Polen in gleichem Range stand, bis auf mehr 
als 80,000 Mann vermehrte, so daß er Oesterreich nahe kam. Wir 
haben die genaue Berechnung eines Kriegsbeamten aus den ersten 
Zeiten der folgenden Regierung, nach welcher Friedrich Wilhelm bei 
1) Edict bei Mylinus III, Nr. XV. 
2) Unter dem 9. März 1713 ist die Landmiliz aufgehoben worden. Schon 
unter Friedrich I war es zu Conflicten der regelmäßigen Werbung mit dem 
Enrolliren der Landmiliz gekommen: so bevölkert war dos Land nicht, daß 
beide hätten nebeneinander bestehen können. 
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