Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

150 Sechstes Buch. Erstes Capitel. 
Sehr nützlich erwies sich der eiserne Ladestock, durch dessen stärkeren 
Stoß die Patrone auf einmal festgesetzt wurde, während sonst ver- 
schiedene Ansätze nöthig waren; man zog auch deshalb großgewachsene 
Männer vor, weil sie zu diesen Handgriffen von Natur geschickter 
seien. Das ganze Fußvolk der preußischen Armee konnte in vier 
Linien aufmarschiren, von denen die erste und die letzte aus den 
größten und stärksten, die beiden mittleren aus etwas minder, aber 
immer noch starken und großen Leuten bestanden. In ihren Fahnen 
sah man den nach der Sonne gerichteten Adler; sie machten einen 
überaus kriegerischen und militärisch furchtbaren Eindruck. Freunde 
und Feinde, sagt Fürst Leopold in einem seiner Briefe, bewundern 
Ew. Majestät Infanterie; die Freunde sehen sie für ein Wunderwerk 
der Welt an, die Feinde mit Zittern #). 
Die Führer dieser Schaaren, deren Tagewerk es bildete, die 
Uebungen durchzumachen, und den Neueingestellten einzuprägen, waren 
bei weitem zum größten Theile die eingeborenen Landedelleute. Bei 
einer Aufzählung des pommerischen Adels vom Jahre 1724 wird die 
Bemerkung hinzugefügt, daß er, mit wenigen Ausnahmen, aus lauter 
Offizieren bestehe, die noch dienen oder doch gedient haben 2). 
Eine der vornehmsten Bemühungen Friedrich Wilhelms war 
nun, sich ein durch und durch lebendiges brauchbares Offiziercorps zu 
bilden. 
Wie sehr ward eben damals im österreichischen Dienste geklagt, 
daß man die Offizierstellen nicht allein durch Kauf erwerbe, sondern 
sogar wieder verkaufen könne): man sehe sie nicht als eine Ehre an, 
sondern als einen Besitz, den man veräußern dürfe; auch wo das 
nicht geschehe, trete doch überall der verdiente und bewährte Mann 
vor einem jungen vornehmen Emporkömmling im Dienste zurück. 
Auch in der preußischen Armee galt früherhin das allgemeine 
Herkommen, daß die Stellen der unteren Offiziere von den Obersten 
besetzt, nach ihrem Gutdünken Fähndriche zu Lieutenants, diese zu 
Hauptleuten befördert wurden: zu den Stellen der Stabsoffiziere blieb 
1) Er gedenkt seines Großvaters, der den ersten Stein zu diesem unsterb- 
lichen Werk gelegt. „Da ich denn die Ehre habe, von meinem 17. Jahre 
an darunter zu dienen, und allen wenigen Ruhm, den ich habe mit E. E. M. 
Fußvolk erworben.“ 
2) Gundling bommerischer Atlas, ein Theil des brandenburgischen, auf 
der Rückseite von S. 278. 
3) Nach Foscarini storia arcana p. 113 kaufte man eine Compagnie 
für 8000, die Stelle eines Majors für 20,000, eines Obersten für 30,000 G.
	        
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