Auflösung des Lehnsnexus. 155
befehlen dürfen: er mußte mit ständischen Corporationen darüber unter-
handeln, und nicht das Unmerkwürdigste an der Sache ist die Art
und Weise, wie das geschah.
Noch im Jahre 1713 waren die Deputirten von Prälaten,
Grafen, Herren, Ritterschaft und Städten diesseit und jenseit der
Oder und der Elbe zusammengetreten, und ihre Ansprücke erscheinen
sogar bedeutend, wenn wir sehen, daß sie an die alten Abschiede von
1572, 1602, 1611, 1614, 1615, und vor allem an den großen
Receß von 1653 erinnern, und die Bestätigung der darin gewähr-
leisteten Rechte beantragen.
Indessen ist es doch zu dieser Bestätigung nicht gekommen.
Friedrich Wilhelm erwiederte ihnen, er müsse sich erst unterrichten,
inwiefern diese Recesse auf die veränderten Umstände noch anwendbar
seien: die Stände bekannten, obwohl in Ausdrücken, worin sie ihre
Gerechtsame festzuhalten suchten, daß dies ein höchsterleuchtetes Dafür-
halten sei; auf die Aufforderung, ihre Wünsche näher anzugeben,
haben sie doch nur einige einzelne Punkte in Bezug auf Lehen und
geistliches Patronat zur Sprache gebracht: politischer Natur war ihr
Begehren nicht. Auch konnte es das nicht sein, da der Hader zwischen
Ritterschaft und Städten unaufhörlich fortdauerte, und die beiden
Tbeile sich auch nicht in der geringsten Sache vereinigen konnten ½.
Viel zu stark war die Monarchie, als daß der Adel derselben in die
allgemeine Regierung hätte einreden können: seine Wirksamkeit war
auf den Kreis der ihm eigenthümlich zustehenden Rechte beschränkt.
Auch bei dieser Lage der Ritterschaften aber mußte über das
jetzige Vorhaben des Königs mit ihnen unterhandelt werden. Bei der
ersten Kunde davon erhob sich die Besorgniß, als wolle er den alt-
1) Z. B. haben sie damals die Einführung von gleichem Maß und Ge-
wicht beantragt, und der König hat sie aufgefordert, ihm darüber einen Ent-
wurf zu machen. Aber sie konnten sich nicht vereinigen, ob das Branden-
burger oder das Berliner Maß zu Grunde zu legen sei; die Edelleute zogen
das erste, die Bürger das zweite vor: sie mußten die Sache dem Könige Über-
lassen, der dann im Sinne der Städte entschied. Die früheren Aeußerungen
des Königs lauteten: „Was aber die allegirten Recesse und in specie den de
anno 1653 anbelanget, da können S. K. Mt., welche nichts was sie nicht
königl. und unverbrüchlich zu halten gedenken, jemahlen versprechen wollen,
zu Confirmation solcher Recesse sich nicht so schlechterdings erklären, sie seien
dann zuvörderst genau und gründlich informirer, ob und in wie weit solche
Recesse anf die jetzige Zeit annoch applicable und ob nicht ein und anderes
so zu des Landes weiterem Flor und Anwachs dienen könnte darin zu ver-
bessern sei.“