12 Fünftes Buch. Erstes Capitel.
damals war dem Könige von Preußen Stettin von dem Czaren, diesem
dagegen von Friedrich Wilhelm Ingermannland und Carelien, nebst
Wiborg und Narwa, sowie Esthland garantirt worden. Minder ent-
schieden war von Liefland die Rede. Zetzt aber faßte man die
Möglichkeit ins Auge, daß der einc oder der andere der nordischen
Verbündeten mit Schweden ein besonderes Einverständniß treffe. Für
den Fall, daß dies geschehe und Schweden fremde Unterstützung finden
wurde, versprachen die beiden Mächte einander- gegenseitige Unter-
stützung; dann sollte auch den Russen Liefland garantirt sein 1). Ueber-
dies aber gab es keine andere Macht, die im Stande gewesen wäre,
Schweden zum Frieden zu nöthigen, als eben Rußland. Dem König
tam es zu Statten, mit dem mächtigsten, klügsten und thatkräftigsten
Fürsten des Nordens verbunden zu sein. Das allgemeine Verhältniß
wirkte auch auf die mecklenburgischen Irrungen zurück, die damals
alle Welt beschäftigten.
Friedrich Wilhelm war in denselben bei weitem weniger entschieden
gegen Rußland, als Dänemark und Hannover. Dem Czaren kam es
darauf an, Wismar an den Herzog Carl Leopold, der sich eben mit seiner
Nichte verheirathet hatte, zurückzubringen; aber seine Truppen waren
bei der Capitulation der Schweden von den Dänen und Hannoveranern
zurückgewiesen worden. Unmöglich konnte Friedrich Wilhelm gestatten,
daß die Russen sich in Mecklenburg festsetzten; aber ebenso wenig, daß
der wichtige Platz in die Hände von Dänemark und Hannover gerathe.
Die Differenz war eine sehr umfassende, da die Russen die Sache des
Herzogs in den Streitigkeiten mit seinem Adel verfochten, Hannover
aber, in dessen Händen die Direction des niedersächsischen Kreises lag,
von Kaiser und Reich autorisirt, sich des bedrängten Adels annahm.
Indem sich dergestalt im Norden tiefgreisende Mißhelligkeiten an-
bahnten, trat ferne davon eine Entzweiung ein, welche den ganzen
europäischen Süden und Westen in Gährung brachte. Sie ent-
sprang aus dem durch den Frieden von Utrecht nicht vollkommen
zur Entscheidung gebrachten Machtverhältniß zwischen Oesterreich und
Spanien.
Wenn man sich erinnert, welche Bedeutung für die spanische
Monarchie zwei Jahrhunderte lang ihr Verhältniß zu Italien gehabt
hatte: so kann man nicht anders erwarten, als daß der Fürst, dessen
1) Vertrag vom 26. Novbr. 1716: „Auf den Fall, daß Jemand von den
in der nordischen Ligue begriffenen Puissancen aus derselben austreten und
sich mit dem gemeinschaftlichen Feinde setzen würde.“