Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

180 Sechstes Buch. Zweites Capitel. 
wurf eines neuen Landrechts auszuarbeiten, und sehr bemerkenswerth 
sind die Gesichtspunkte, die er ihnen angab 1). Danach sollte das 
Nömische Recht aufrecht erhalten, aber von allem, was seinen Ur- 
sprung in der besondern Verfassung des alten Römischen Staates 
habe entkleidet, mit der gesunden Vernunft, der natürlichen Billigkeit 
und den heutigen Zuständen in Uebereinstimmung gebracht werden; 
er wünschte namentlich den weitläufigen Processen abzuhelfen, die 
gesammten Rechtssatzungen dem gemeinen Manne verständlich gemacht 
zu sehen. Für das Criminalrecht hielt er den einfachen Grundsatz 
fest: wer Blut vergieße, dessen Blut müsse wieder vergossen werden, 
damit kein Blut auf dem Lande bleibe. Er gehörte zu den Männern, 
deren Gesinnung sich durch das alte Testament gebildet hat. Die 
theologische Gelehrsamkeit hielt er sehr hoch; er drang auf strenge 
Prüfungen, wodurch, wie schon sein Vater angeordnet hatte, der Ein- 
fluß der Kirchenpatrone bei der Besetzung der Vacanzen eingeschränkt 
und geregelt wurde. Niemals sollte ein Sohn dem Vater in der- 
selben Pfarrstelle folgen dürfen. Zugleich aber nahm er Bedacht, den 
Geistlichen keinen weltlichen Einfluß zuzugestehen, wohin ihr Trachten 
wohl auch unter den Protestanten gerichtet sei. Er hielt mit Strenge 
darüber, daß auf den Kanzeln von den streitigen Lehrsätzen, nament- 
lich von der Gnadenwahl nicht die Rede sein dürfe; und wies die 
Fiscale an, darauf Acht zu haben. Die Prediger aller Parteien sollten 
die ihnen anvertrauten Seelen nur in der „Furcht des Herrn und 
dem wahren thätigen Christenthum“ unterweisen. Er machte sich eine 
Pflicht daraus, in vollkommener Toleranz voranzugehen. Als die 
Dreifaltigkeitskirche, die er für den neuen Stadttheil von Berlin ge- 
baut, am vierzehnten Sonntag nach Trinitatis 1739 eröffnet wurde, 
brachte er selbst die silbernen Altargefäße mit, die der einen evan- 
gelischen Confession so gut wie der andern zum Gebrauch dienen 
sollten; er hörte die beiden Einweihungsreden, am Morgen die refor- 
mirte, am Nachmittag kam er wieder, um auch der lutherischen Pre- 
digt beizuwohnen 2). Von den Jesuiten wollte er Nichts hören; aber 
für den Gottesdienst der katholischen Einwohner von Berlin hat 
er ein besonderes Haus eingeräumt. Für die Katholiken in seinen 
Regimentern billigte er nicht allein, sondern beförderte die Wirksam- 
1) Ordre an die Juristenfacultät zu Halle, 18. Juni 1714. Mitgetheilt 
und erläutert von Laspeyres in Reyschers und Wilda's Zeitschrift für deutsches 
Recht VI, 88. 
2) Kurzgefaßte Geschichte der Dreifaltigkeitskirche 1801, S. 8, 9.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.