Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

186 Sechstes Buch. Drittes Capitel. 
in fernab liegende unübersehbare Verwickelungen gerathen würde, 
vielleicht einmal gegen die Türken Hülfe leisten solle, und er lehnte 
es ab. . » 
Dagegen gab es andere Beziehungen, in welchen seine eigenen 
Angelegenheiten sich mit den österreichischen und russischen auf das 
engste berührten, in Polen. 
Man hat oft angenommen, daß schon in diesen Zeiten zwischen 
den drei Mächten ein Verständniß zu einer Theilung von Polen ob- 
gewaltet habe; das ist aber ohne Zweifel ein Irrthum. Wenn man 
die Machtverhältnisse ins Auge faßt, so lag ein solcher Gedanke sehr 
nahe. Für Preußen z. B. erschien es fast als eine Lebensbedingung, 
die damals noch polnischen, früher dem deutschen Orden und dem 
deutschen Reiche unterwürfig gewesenen Ostseeprovinzen an sich zu 
bringen. Andere Forderungen erhoben die anderen Mächte. Und da 
es ferner schon das Ansehen hatte, als würde Polen keinen rechten 
Widerstand dagegen leisten können, so sind auch wirklich von Zeit zu 
Zeit Theilungspläne zum Vorschein gekommen; nach einem früheren, 
der noch in Carl Gustavs Kopfe entsprungen und auf eine Mit- 
wirkung Schwedens berechnet war, im Jahre 1710 ein anderer, den 
nunmehrigen Verhältnissen näher liegender; wahrscheinlich das Werk 
eines russischen Staatsmannes, von dem jedoch Peter I nichts wissen 
wollte 1); auf diesen Grund in den Zeiten, in denen wir stehen, sogar 
ein dritter, dessen wir sogleich gedenken werden. Allein bei alledem 
erhielt sich doch auch die Ueberzeugung, daß diese aristokratische Re- 
publik — denn dazu war Polen unter den letzten Königen geworden 
— in der Gesammtheit der europäischen Staaten ein wesentliches 
Glied bilde, und ihr Untergang viele andere Uebelstände nach sich 
ziehen würde. Friedrich Wilhelm war in Folge der Rathschläge, die 
der „bis in den Tod getreue“ Ilgen ihm gegeben, wider jede große 
Veränderung in Polen, wenn sie auch mit einer ansehnlichen Gebiets- 
vermehrung verbunden sein sollte. 
Das Interesse der drei Mächte ging vor allem nur dahin, hier 
weder bei einer Thronvacanz noch durch andere Ereignisse eine Ge- 
walt aufkommen zu lassen, von welcher Widerwärtigkeiten zu besorgen 
wären. Wie leicht dies geschehen konnte, zeigte eben damals das 
1) Ohne Zweifel ging der Plan, wie Stenzel mit Recht bemerkt, von 
Rußland aus, aber ich sinde die Anmerkung, daß „Petrus I den ganzen Plan 
nicht allein verworfen, sondern auch diejenigen, welche selbigen formiret, zu 
Strafe ziehen wollen.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.