Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Polnische Throncandidatur 1732, 1733. 187 
Beispiel Augusts II, der seine Thronbesteigung dem Einfluß von 
Oesterreich, seine Wiederherstellung den Waffen der Russen verdankte, 
dennoch in seinen letzten Jahren eine beiden Höfen entgegengesetzte 
Politik einschlug. Wir müssen dieses Fürsten und seiner Bestrebungen 
mit ein paar Worten gedenken. 
August II war ein Mann von sehr ausßerordentlichen persön- 
lichen Eigenschaften, vielseitig oder vielmehr, wie Friedrich Wilhelm 
sagte, universell. Was er angriff, dazu hatte er Geschick, und immer 
mußte er etwas Neues vorhaben, sei es den Bau eines Palastes 
oder einer Kirche, die Einübung eines Regiments oder die Anordnung 
einer geräuschvollen Festlichkeit, einen Liebeshandel oder eine politische 
Intrigue; er stürzte sich nur immer von einer aufregenden Beschäfti- 
Fung zur andern, von Genuß zu Genuß, ohne auf Pflicht oder An- 
stand Rücksicht zu nehmen; er gefiel sich in einem Gemisch von Kraft 
und Sittenlosigkeit. Noch weniger hätte er sich Verschwendung übel 
genommen: er betrachtete solche vielmehr als wohlthätig für das 
Land; die Paläste, die Menge der Diener, der Glanz des Hofes be- 
lebe Handel und Wandel und gewähre den Kunstbeflissenen die Mittel 
sich zu erhalten 1). Aber sein Erbland war ihm zu klein, um seinem 
Triebe zur Thätigkeit zu genügen: er warf sich in das „immer= 
wallende Meer“ der zweifelhaften Geschäfte der polnischen Nation. 
Da hatte er im Innern einen Widerspruch zu bekämpfen, der sich 
vor keiner Willensmeinung beugte, und sich nur durch eine lebendige 
Gegenwirkung auf mannichfaltige Persönlichkeiten brechen ließ. Nach 
außen hin brachte ihn der Besitz dieses Thrones zu Allem, was in 
Europa mächtig war, in unmittelbare Beziehungen. Er hatte eine 
Vorliebe für die geheimen Wege der Politik: wie er denn in Wien 
den Prinzen Eugen lieber vorbeiging, in Petersburg sich durch die 
Gemahlin seines Gesandten einen Zugang zu der weiblichen Um- 
gebung der Kaiserin suchte. Seine Pagen halfen ihm den Brief- 
wechsel führen, der hiezu nöthig war: auf diesem Wege hat Brühl 
sein Glück gemacht. Zu seinem Wesen, dem Reize des Lebens, dessen 
er bedurfte, gehörte es nun aber, daß er sich hiebei in den Aussichten 
eines unbeschränkten Ehrgeizes bewegte. Er dachte einst die öffent- 
liche Gewalt in Deutschland an einen Fürstenbund zu bringen, denn 
das Haus Oesterreich sei nicht mehr fähig, die Würde des Reiches 
1) Man leitete damals das sächsische Wappen von einem Gastmahl her, 
wo Friedrich Barbarossa einem der Ahnherrn des Geschlechtes den Rauten- 
kranz aufgesetzt hatte.
	        
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