Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

190 Sechstes Buch. Drittes Capitel. 
sich den Kopf wüste fühlte. Wie er so dastand, mit halbnackten 
Beinen, am Feuer des Kamins, mit allen Zeichen zunehmender Ge- 
brechlichkeit, hätte man nicht glauben sollen, daß er sich mit so welt- 
umfassenden Plänen trage. Grumbkow dachte beinahe, es sei nicht 
sein Ernst, vielleicht habe die französische Partei diese Entwürfe an 
die Hand gegeben, um „die Adler zu entzweien“ 1). 
Hätten die drei Mächte auch eine größere Neigung gehabt, auf 
eine Theilung von Polen einzugehen, als in dieser Epoche wahrzu- 
nehmen ist, so würden doch die übrigen politischen Absichten, welche 
August II verfolgte, sie davon zurückgescheucht haben. Wie wenig 
konnte er bei dem engen Verhältniß des Königs von Preußen zu 
Oesterreich mit jenem Gedanken einer bewaffneten Fürstenvereinigung 
auf denselben Eindruck machen. Friedrich Wilhelm begegnete ihm mit 
einer einfachen Bemerkung, die aber das Wesen der Sache traf. Er 
fragte, wer wohl eine solche Armee commandiren solle; er, der König 
von Preußen werde es gewiß keinem Andern gönnen, aber auch ihm 
werde es Niemand gönnen; besser deshalb, man bleibe bei dem ge- 
wohnten Oberhaupt. In hohem Grade widerwärtig war ihm die Ver- 
bindung August II mit Frankreich. Die Aufrechterhaltung der öster- 
reichischen Erbfolge bildete in diesem Augenblick den Mittelpunkt ihrer 
gemeinschaftlichen Bestrebungen; im Bunde mit Frankreich dieselbe be- 
streiten wollen, und zugleich zu einem Unternehmen gegen Polen auf- 
fordern, waren Gedanken, die einander in sich selbst widersprachen. 
Eben um der anstößigen Beweglichkeit der sächsischen Politik ein 
Ende zu machon, waren die Mächte seit einiger Zeit in Unterhand- 
lungen begriffen, die sich nach einem ganz andern Ziele richteten. 
Bereits im Jahre 1726 hatten Rußland und Preußen die Ver- 
abredung getroffen, dahin zu wirken, daß bei der nächsten Thron- 
vacanz in Polen ein Fürst aus der Wahl hervorgehe, welcher weder 
der polnischen Freiheit noch seinen Nachbarn gefährlich sei, und von 
dem sich erwarten lasse, daß er die alten Verträge der Republik mit 
Brandenburg wie mit Rußland beobachten werde 2). 
1) Toute Didée duc je m'en peux former, c'est, que le plan en 
duestion est un ponto studiato de la cabale francaise pour occuper et 
diviser les aigles en cas, qu’ils entreront dans ce chimerique plan ou, 
ce qui est le plus apparent, pour en cas de refus pouvoir faire voir 
aäu patron combien peu on souhaite de le favoriser meme dans les oc- 
casions ou les autres princes trouvent aussi leur avantage. 
2) Ostermann sagte im Juli: der Kurprinz erscheine seinem Herrn zu 
gefährlich; im October: S. Russisch Kaiserliche Maj. sei es am liebsten, wenn
	        
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