Polnische Throncandidatur 1732, 1733. 191
Im Jahre 1729 ward zwischen den drei Mächten viel über die ·
Frage verhandelt, ob man sich im voraus zur namentlichen Aus-
schließung der beiden zunächst zu erwartenden Competenten, des
Stanislaus Leszczynski und des Kurprinzen von Sachsen vereinigen
solle. Rußland und Preußen waren hiezu einverstanden: Oesterreich
sträubte sich, da es einen Bruch mit Sachsen zu vermeiden wünschte.
Da aber die beiden ersten nichts thun wollten, dem das letzte nicht
beitreten könnte, so sprachen auch sie die Exclusive nicht in aller
Form aus, sondern blieben wie früher bei allgemeineren Ausdrücken
stehen. Der Tractat, der im October 1729 geschlossen, und nachdem
Kaiserin Anna den Thron bestiegen, von dieser im October 1730
bestätigt worden ist, ist eigentlich nur eine Wiederholung des früheren.
Er enthält nichts Neues, als eine verstärkte Clausel über den Schutz
der Dissidenten evangelischen und griechischen Glaubens. Die Worte
lauten so harmlos, daß man ihn dem König von Polen sogar mit-
theilen konnte.
In Kurzem fand man es, namentlich in Petersburg, doch auch
rathsam, sich über den Candidaten, dem bei der Wahl der Vorzug
zu geben sei, bestimmter zu verständigen. Preußen und Rußland
fielen auf einen polnischen Magnaten, der sein Geschlecht von den
Piasten herleitete, den Fürsten Sanguszko; sie meinten, daß dieser,
der die Bewirthschaftung seiner Güter mit größerer Sorgfalt betrieb
als Andere, selbst etwas für sich thun könne, ohne fremden Beistandes
-rallzu sehr zu bedürfen, und daß er doch nicht so ehrgeizig sei, um
den Nachbarn Besorgnisse zu erwecken 1). Dagegen schlug der Wiener
Hof den Infanten Don Emanuel von Portugal vor.
Es sieht sehr wunderbar aus, daß ein portugiesischer Infant den
ein Piastus zur Krone käme. Er war sogar nicht damit zufrieden, daß Oesler=
reich herbeigezogen worden, und von den Stipulationen Nachricht bekommen
hatte.
1) Dieser Vertrag enthält eine gegenseitige Garantie, besonders derjenigen
Lande, so beide M. an der Ostsee inne haben (§ 2), und einige geheime
Artikel. Einer von diesen, auf Schleswig bezüglich, findet sich bei Dumont VIII,
2, 135. In einem andern heißt es: „und wenn es dermaleinst nach Gottes
Willen zur Wahl eines neuen Königs von Polen kommen sollte, so wollen
allerhöchst gedachte J. Kgl. und J. Ksl. Mt. nicht nur alsdann sondern von
nun an ihre Consilia einmüthig dahin richten, daß der K. Polnische Thron
mit einem Successor wieder besetzt werden möge, der so wenig der polnischen
Libertät als der Nachbarschaft gefährlich; — der König von Preußen fügt
hinzu, seine Meinung sei hiebei keine andere, als daß dieser Successor ein
geborener polnischer Edelmann sein solle und müsse.