14 Fünftes Buch. Erstes Capitel.
Sei es nun, daß Alberoni von ihm angeregt wurde oder nicht,
den Augenblick, in welchem Oesterreichs Streitkräfte durch den Krieg
gegen die Türken beschäftigt und andererseits sein Verhältniß zu
den Seemächten, besonders seine Auseinandersetzung mit den Nieder-
landen schwierig wurde, hielt dieser Minister für den geeignetsten, um
die Prätensionen der spanischen Monarchie zur Geltung zu bringen:
er unterbrach die wiederhergestellte Ruhe durch einen Angriff auf Sar-
dinien. Es waren eigentlich die beiden spanischen Factionen, die bour-
bonische und die österreichische, welche dort miteinander in Kampf
geriethen: die erste behielt die Oberhand. Aber dadurch verletzte
Alberoni die Mächte, durch welche der Friede von Utrecht, in dessen
Folge der Kaiser Sardinien besaß, geschlossen war. Sie vereinigten
sich mit dem Kaiser, um die getroffenen Stipulationen aufrecht zu
erhalten. Alberoni entfernt davon, vor dieser Verbindung zurückzu-
weichen, war vielmehr gesonnen, den Kampf mit ihr im größten
Umfang aufzunehmen. In dem Regenten aus dem Hause Orleans,
der, wie berührt, die von Ludwig XIV überkommene innere und
äußere Politik durchaus verändert hatte, sah Philipp V seinen ge-
fährlichsten Widersacher. Sie hatten Beide die Nachfolge auf dem
französischen Thron, ein Jeder für seine Linie, im Auge. Wen
nun der Regent wieder mit König Georg I von England auf das
intimste verbunden war: so folgte, daß Alberoni sich auf die Seite
des Prätendenten neigte, der sich noch immer für fähig hielt, das
Haus Hannover von dem englischen Throne zu verdrängen und sich
eben zu einem solchem Unternehmen anschickte. Wäre es mit diesem
Versuch gelungen, so würde der ganze Westen von Europa in Ver-
wirrung gerathen sein. Dem Kaiser hoffte Alberoni neue Feindselig-
keiten in Ungarn zu erwecken. Rakoczy hatte sich selbst nach Adrianopel
begeben; es ist gewiß, daß er durch spanisches Geld in den Stand
1) Aus San Felipe, der selbst mit der Untersuchung über diese An-
gelegenheit beauftragt gewesen, Commentarios, Bd. IV., S. 53, deutsche
Ueberf., ergiebt sich mit Bestimmtheit, daß die Justructionen des Emissars
dahin lautcten, Rakoczy solle mit Geld unterstützt werden, um Siebenbürgen
dem Kaiser zu entreißen und den Rebellen in Ungarn Beistand zu leisten.
Man setzte voraus, daß dies die Pforte ermuthigen würde, den Krieg sort-
zuführen; meinte aber, daß man dadurch den Pflichten katholischer Christen
nicht zuwiderhandele, wie es ja auch Päpste gegeben habe, welche Befehle an
die Ritterorden erlassen, durch die die Ungläubigen gefördert worden seien.
Dasselbe ließ sich von einer Verbindung mit Schismatilern und Protestanten
sagen, zumal da der Zweck immer war, einen katholischen König in England.
auf den Thron zu setzen.