Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

14 Fünftes Buch. Erstes Capitel. 
Sei es nun, daß Alberoni von ihm angeregt wurde oder nicht, 
den Augenblick, in welchem Oesterreichs Streitkräfte durch den Krieg 
gegen die Türken beschäftigt und andererseits sein Verhältniß zu 
den Seemächten, besonders seine Auseinandersetzung mit den Nieder- 
landen schwierig wurde, hielt dieser Minister für den geeignetsten, um 
die Prätensionen der spanischen Monarchie zur Geltung zu bringen: 
er unterbrach die wiederhergestellte Ruhe durch einen Angriff auf Sar- 
dinien. Es waren eigentlich die beiden spanischen Factionen, die bour- 
bonische und die österreichische, welche dort miteinander in Kampf 
geriethen: die erste behielt die Oberhand. Aber dadurch verletzte 
Alberoni die Mächte, durch welche der Friede von Utrecht, in dessen 
Folge der Kaiser Sardinien besaß, geschlossen war. Sie vereinigten 
sich mit dem Kaiser, um die getroffenen Stipulationen aufrecht zu 
erhalten. Alberoni entfernt davon, vor dieser Verbindung zurückzu- 
weichen, war vielmehr gesonnen, den Kampf mit ihr im größten 
Umfang aufzunehmen. In dem Regenten aus dem Hause Orleans, 
der, wie berührt, die von Ludwig XIV überkommene innere und 
äußere Politik durchaus verändert hatte, sah Philipp V seinen ge- 
fährlichsten Widersacher. Sie hatten Beide die Nachfolge auf dem 
französischen Thron, ein Jeder für seine Linie, im Auge. Wen 
nun der Regent wieder mit König Georg I von England auf das 
intimste verbunden war: so folgte, daß Alberoni sich auf die Seite 
des Prätendenten neigte, der sich noch immer für fähig hielt, das 
Haus Hannover von dem englischen Throne zu verdrängen und sich 
eben zu einem solchem Unternehmen anschickte. Wäre es mit diesem 
Versuch gelungen, so würde der ganze Westen von Europa in Ver- 
wirrung gerathen sein. Dem Kaiser hoffte Alberoni neue Feindselig- 
keiten in Ungarn zu erwecken. Rakoczy hatte sich selbst nach Adrianopel 
begeben; es ist gewiß, daß er durch spanisches Geld in den Stand 
1) Aus San Felipe, der selbst mit der Untersuchung über diese An- 
gelegenheit beauftragt gewesen, Commentarios, Bd. IV., S. 53, deutsche 
Ueberf., ergiebt sich mit Bestimmtheit, daß die Justructionen des Emissars 
dahin lautcten, Rakoczy solle mit Geld unterstützt werden, um Siebenbürgen 
dem Kaiser zu entreißen und den Rebellen in Ungarn Beistand zu leisten. 
Man setzte voraus, daß dies die Pforte ermuthigen würde, den Krieg sort- 
zuführen; meinte aber, daß man dadurch den Pflichten katholischer Christen 
nicht zuwiderhandele, wie es ja auch Päpste gegeben habe, welche Befehle an 
die Ritterorden erlassen, durch die die Ungläubigen gefördert worden seien. 
Dasselbe ließ sich von einer Verbindung mit Schismatilern und Protestanten 
sagen, zumal da der Zweck immer war, einen katholischen König in England. 
auf den Thron zu setzen.
	        
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