Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

198 Sechstes Buch. Drittes Capitel. 
Rußlands sicher war, sein Ziel auch ohne preußische Hülfe erreichen 
zu können. 
Die Antwort desselben war in den höflichsten, freundschaftlichsten 
Ausdrücken abgefaßt, aber abschläglich: durchaus in allen Punkten. 
In denen, die Polen berührten, bezog er sich auf die Beschränkungen, 
denen ein König in diesem Reiche unterworfen sei, ohne auch nur 
seine guten Dienste anzubieten: in der bergischen Sache auf die Ver- 
hältnisse zu den Lehnsvettern; den ostfriesischen Titel versprach er an- 
zuerkennen, wenn es der Kaiser thue, gleich als hätte es dann in 
seiner Macht gestanden, dies zu verweigern; selbst die Anerkennung 
des königlichen Titels erschien noch zweifelhaft. 
Eine zweite Antwort, die bald darauf einging, lautete nicht 
besser ). König Friedrich Wilhelm sagte, er falle aus den Wolken, 
er müsse deutsch mit den Sachsen reden. 
Sah er aber weiter um sich her, so konnte ihm nicht entgehen, 
daß sich ihm seit dem Tode Augusts II das Verhältniß zu seinen 
Verbündeten überhaupt verändert hatte. 
Kaiserin Anna hatte den Vertrag, der in ihrem Namen ange- 
boten worden, noch nicht ratificirt. Graf Löwenwolde, dem man eine 
Chiffre mitgegeben, um eine geheime Correspondenz mit seinem Hofe 
zu unterhalten, hatte sich derselben nicht bedient, niemals ein Wort 
geschrieben: alle Anfragen über die Sache wurden ausweichend be- 
antwortet, und es fiel in die Augen, daß man dort von dem ganzen 
Project lieber nichts mehr hören wollte. Ein Verfahren, das sich 
erklärt, wenn es wahr ist, was die Historiker der Zeit einmüthig ver- 
sichern, daß der Kurfürst von Sachsen dem Oberkammerherrn und 
Günstling der Kaiserin, Biron, jenes Curland versprochen habe, 
welches dem Vertrage zufolge an einen preußischen Prinzen kommen 
ollte 2). « 
Was aber Oesterreich betrifft, so trat ein Vorfall ein, der die 
Seele des Königs in ihrem Innersten aufregte. 
Im Juni 1733 sollte die von dem österreichischen Hofe früher 
1) 8. Juni 1733 dem preußischen Minister Lüderitz ausgestellt. 
2) In einem Gutachten Tulemeiers 4. Febr. 1734 heißt es: Biron ver- 
diene um so weniger ein Geschenk „als er dem Wienerischen Hofe zu gefallen 
einzig und allein Schuld daran ist, daß die Russische Kaiserin sich mit dem 
Churfürsten von Sachsen vertieft und der Russisch kaiserliche Hof uns jetzt 
gleichsam à la pointe de son epce forciren will, daß wir, den Churfürsten 
von Sachsen auf dem polnischen Thron besestigen helfen und dadurch zu 
unserm eigenen Schaden und Verderben arbeiten sollen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.